Auffassung Ritters.
segelte, haben nicht gerade dazu beigetragen, seine Ansichten den Lesern
näherzubringen; denn sie decken sich wenig mit dem, was wir heute unter
physikalischer, allgemeiner, vergleichender Erdkunde verstehen. Wir müssen
deshalb an der Hand einiger anderer Belegstellen tiefer in seinen Gedanken-
gang einzudringen suchen. Das Betonen des Physischen war zunächst ein
Einspruch gegen die Gepflogenheit, die politischen Staatengrenzen als den
wichtigsten Einteilungsgrundsatz zu verwerten, obgleich sie ebenso un-
natürlich wie veränderlich sind. Demgegenüber sollen die irdischen Räume
zunächst an sich betrachtet werden, mit ihren Bodenformen und ihrer Wasser-
verteilung, weil damit etwas Stetiges als Grundlage der Betrachtung ge-
wonnen wurde, „Die reine, physische Geographie ist dieselbe für alle Zeit, für
die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, der Punkt des Zusammentreffens
alles Leblosen und Lebendigen im Wirklichen.‘“ Das Vergleichen will Ritter
zunächst rein äußerlich anwenden zum Zwecke der Anordnung, um daraus
„Klassen, Ordnungen, Gattungen‘ zu gewinnen, nach derselben Methode,
wie die Naturgeschichte ähnliche Formen zusammenfaßt. Aber das Haupt-
verdienst liegt tiefer, nämlich in dem Bestreben Ritters, die „Einzeltatsachen
in einem innerlich verbundenen, mehr wissenschaftlichen Ganzen“ darzu-
stellen. Er will „überall die Einsicht in den Kausalzusammenhang der
Erscheinungen des Planeten zu fördern, zur Betrachtung des Ganzen zu er-
heben, den Begriff zur Entwicklung und zur Klarheit zu bringen, der Er-
scheinung das Gesetz zu entlocken versuchen, wie der Chemiker, der Physiker,
der. Astronom aus dem Zusammenhange der Beobachtungsreihe sein Resultat
zieht.‘ Die Betonung der inneren Zusammenhänge zwischen der unbelebten
und belebten Natur führte Riffer von selbst dazu, die geographische Be-
dingtheit der menschlichen Kulturverhältnisse und der Völker-
schicksale ganz besonders zu betonen.
„Die physikalischen Verhältnisse der Erdräume treten in ihrem wahren
Lichte nur dann erst vollkommen hervor, wenn sie in ihren Rückwi rkungen
auf den Menschen und auf den Gang der Geschichte ganz aufgefaßt und
begriffen sind.“ Jeder Erdraum ist ausgezeichnet durch eine „Spezifische
eigentümliche Mitgıft“, eine „prımitive Begabung und Anregungsfähigkeit‘,
und der Mensch steht in einer gewissen Abhängigkeit von diesen Bedingungen;
er ist in seiner Kultur bedingt von dem „Erdball, als Wohnhaus des
Menschengeschlechts‘“. Aber im Weltall waltet ein höherer, ordnender
Geist, der den Menschen nur vorübergehend auf die Erde gesetzt hat, damit
er sich vervollkommne und vorbereite zum Leben im Jenseits, und so wird
die Erde zum „Erziehungshaus der Menschheit“, zum Schauplatz
göttlicher Offenbarung. Die Geschichte zeigt, daß „die zivilisierte Mensch-
heit sich nach und nach, ebenso wie der einzelne Mensch, den unmittelbar
bedingenden Fesseln der Natur und ihres Wohnortes entwindet‘“. Und so
gerät schließlich dieses Wohnhaus selbst in eine teleologische Abhängig-