Full text: Allgemeiner Teil (6. Band, 1. Teil)

Itschners Gegenwartskunde, 
199 
Unter den Vertretern der Rifferschen Schule hat es vor allem Oberländer! emp- 
fohlen. „Der bei der Betrachtung der einzelnen Erdräume zur Sprache kom- 
mende geographische Stoff ist jederzeit logisch nach immer wiederkehrenden 
Gesichtspunkten zu ordnen.‘ Dagegen wendet sich Frifzsche? mit dem Urteil: 
„Weil das geographische Schema von vornherein den Stoff nach logischen 
Gesichtspunkten ordnet, stellt es die Übersicht höher als die Einsicht und das 
tote Wortwissen höher als die lebendige Anschauung. Darum kann das 
Schema auch nicht die Grundlage bilden für die Behandlung eines geogra- 
phischen Individuums.‘“ Er wünscht an Stelle der sich stets wiederholenden 
Gliederung an die Spitze einer jeden länderkundlichen Unterrichtseinheit 
irgendeinen sachlichen Gesichtspunkt zu stellen, dem gestaltende Kraft- 
innewohnt. So behandelt er in seinem Handbuche? die Oberrheinische Tief- 
ebene als Süddeutschlands großen Fruchtgarten, das Schwäbische Stufenland 
als den wechselvollen Naturpark Süddeutschlands, die Balkanhalbinsel als 
den unruhigen Winkel Europas. An der Hand dieses obersten Gesichtspunktes 
gestaltet sich z. B. der Gang der Behandlung folgendermaßen: 1. Inwiefern 
kann die Balkanhalbinsel als der unruhige Winkel Europas bezeichnet wer- 
den? (Lage, Weltstellung.) 2. Wie kommt es, daß die Balkanhalbinsel fort- 
während von Unruhen heimgesucht wird? (Völker, Staaten.) 3. Wodurch 
wurden die Balkanwirren begünstigt und was haben sie zur Folge gehabt? 
(Landschaften a—e.) 
Noch schroffer als Frifzsche wendet sich /fschner* gegen streng systematische 
Darbietung. Für ıhn wächst aller Unterricht aus dem Leben heraus. „Der 
Erzieher muß das Leben ın seinen Brennpunkten suchen.‘ Das heißt in An- 
wendung auf die Erdkunde: sie muß ausgesprochene Gegenwartskunde 
werden, muß die politisch-nationalen Gesichtspunkte in den Vordergrund 
stellen und den Stoff in künstlerisch freier Gestaltung an den Schüler heran- 
bringen. „Gerade wenn man mit künstlerischem Blick die Brennpunkte des 
Lebens in einem Landindividuum herausgefunden und sich befähigt erweist, 
zugleich ein Zentrum spekulativer Fragen zu erregen, deren Beantwortung 
zu einem klaren Bild des Wesens der Erscheinung führt, so hat man eigentlich 
nichts anderes getan als ein Problem gestellt, ist seiner Lösung nachge- 
gangen und hat schließlich, die Ergebnisse dieser Arbeit zusammenfassend, 
einen Individualbegriff erarbeitet.‘ Die Arbeit des Methodikers am Schreib- 
tisch läßt sich in folgende zwei Hauptakte auseinanderlegen: 
' Herm, Oberländer, Der geographische Unterricht nach den Grundsätzen der Ritter- 
schen Schule. Leipzig 1911. 7. Aufl, (Der jetzige Bearbeiter P. Weigeldt hat Oberländers 
Forderung stark eingeschränkt. Vgl. S. 147.) 
? Rich, Fritzsche, Dieneuen Bahnen deserdkundlich. Unterrichts. 2.Aufl. Langensalza 1906, 
3 Rich. Fritzsche, Methodisches Handbuch für den erdkundlichen Unterricht in der 
Volks-, Bürger- und Mittelschule. 3 Bde. Langensalza, 3. Aufl., 1905—1911. 
* Herm, Itschner, Lehrproben zur Länderkunde von Europa. Leipzig, Teubner 1904. 
Vgl. Abschnitt daraus Band Il!
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.