Das Vorzeigen.
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zusammenhängende Vortrag sehr viel Zeit. Das spürt jeder, der von der
Schulbank in den Hörsaal der Universität übergesiedelt ist und dort zunächst
unter der ungeheuren Fülle des Dargebotenen die innere Sammlung zu ver-
lieren droht. Es kann auch im Schulunterricht recht wohl der Fall eintreten,
daß der Lehrer einen Abschnitt in möglichst kurzer Zeit zu erledigen trachten
muß und daß er dann die sonst geübte Mitarbeit der Schüler ausschaltet.
Aber der Vortrag hat auch seine großen Schattenseiten: er verdammt den
Hörer zu einer Passivität, die die Geisteskräfte oft rascher erlahmen läßt als
regste Beteiligung. Jüngere Schüler haben nicht die Selbstzucht, lange Zeit
sich einem fremden Gedankengang zu beugen, ohne abzuirren oder in einen
Dämmerzustand zu verfallen. Ihr Wille bleibt ausgeschaltet und infolgedessen
unausgebildet — darin liegt das Verdammungsurteil der wissenschaftlichen
Pädagogik gegenüber dem Vortrag begründet. Aber die erwähnte Selbstzucht,
der Zwang zum gespannten Zuhören, kann ebenfalls den Charakter bilden
helfen; man muß nur die Sicherheit haben, daß dem Zwange Folge geleistet
wird. Hierzu läßt sich auf der Oberstufe recht gute Anleitung geben, und
zwar unter allmählich gesteigerten Anforderungen an die Leistungsfähigkeit
der Schüler. Zunächst trage der Lehrer nicht zu große Abschnitte vor, wieder-
hole dann die Hauptgedanken und diktiere sie ins Merkheft. Später fällt das
Diktat weg, die Schüler formen die Hauptsätze nach erfolgter Zusammen-
fassung selbst. Dann lasse man während des Vortrags Notizen machen und
diese zu Hause zu einer schriftlichen Zusammenfassung verarbeiten. Schließ-
lich fordere man während der Unterrichtsstunde eine „Niederschrift‘“ nach
Art der Sitzungsberichte und spreche diese nachträglich durch. Die Eigenart
des erdkundlichen Unterrichts ermöglicht noch eine weitere Erschwerung an-
zubringen, indem der Vortragende das fortdauernde Betrachten der Landkarte
verlangt. Derartige Stunden sind schwierig für den Schüler, aber sie leiten
den Oberprimaner hinüber zum Hochschulbetrieb. Und wie segensreich einige
Übung und Anleitung im Führen eines „Kollegienheftes‘“ ist, das wird jeder
Lehrer aus eigener Erfahrung bestätigen. Trotzdem wollen wir durchaus nicht
empfehlen, nun den gesamten Oberprimaunterricht akroamatisch auszu-
gestalten.
Der freie Vortrag des Lehrers kann ergänzt oder ersetzt werden durch das
Vorlesen geeigneter Bruchstücke aus den Klassikern geographischer Schilde-
rung, wobei auch die Schüler selbst zum Lesen herangezogen werden. „Die
Kinder sollen sich ihr Wissen nicht bloß erhören, sondern unter Leitung des
Lehrers erlesen, zumal das Erlesen später für sie die wichtigste, wenn nicht
die einzige Quelle der Weiterbildung ist“ (Harms).
2. Das Vorzeigen,.
Ersetzt der Unterricht das Wort durch die unmittelbare Anschauung der
Natur, eines Versuches oder eines Bildes, so ist das Ergebnis sicher zuver-
lässiger und einheitlicher. Wir gehen in den Botanischen Garten und lassen