Full text: Allgemeiner Teil (6. Band, 1. Teil)

240 Anwendung des Arbeitsunterrichts auf die Erdkunde. 
Geistesübungen, die mit ihm angestellt werden können, immer zweifelhafter 
Natur.“ Geben wir selbst zu, daß das Experiment bisher in der Erdkunde 
sehr stiefmütterlich behandelt worden ist, liegt nicht schon in dem fort- 
währenden Herauslesen erdkundlicher Tatsachen aus der schwer lesbaren 
Karte, in dem zeichnerischen Wiedergeben.des Gelernten — zwei unterricht- 
lichen Tätigkeiten, die doch wahrhaftig nicht erst seit heute und gestern an- 
gewendet werden — ein gutes Stück Arbeitsunterricht, lebt Kerschensteiner 
noch in jener Zeit, in der die Erdkundestunden lediglich zum Einüben von 
Namen und Zahlen benutzt wurden? Haben wir nicht im Laufe unserer Dar- 
stellung eine Fülle neuerer Arbeiten heranziehen können, die den erdkund- 
lichen Unterrichtsbetrieb auf weitgehende Selbsttätigkeit der Schüler auf- 
zubauen suchen? Gehen wir über das ebenso scharfe wie unbegründete Ur- 
teil zur Tagesordnung über und untersuchen an einigen Beispielen, wie mannig- 
faltig der Grundsatz des Arbeitsunterrichts in der Erdkunde angewendet 
werden kann, 
Soweit die Arbeitsschule Handfertigkeit verlangt, bedarf sie eines ge- 
sonderten Fachunterrichts: neben das Schreiben tritt das technische Zeichnen, 
das Formen, das Arbeiten in Holz oder Metall. Es wäre eine ungerecht- 
fertigte Zeitverschwendung, wollte man im Rahmen des naturkundlichen oder 
erdkundlichen Unterrichts hier mehr Anweisung geben, als eben die besondere 
Art der Arbeit erfordert. Wie man mit Formhölzern und Plastilina umgeht, 
wie Säge und Hobel benutzt werden oder wie man eine Glasröhre biegt, um 
sich den Gebrauch einer Kanalwage zum Nivellieren klar zu machen, das 
sind Unterweisungen, die wir in der Mehrzahl der Fälle dem technischen. 
Lehrer überlassen müssen. 
Für uns bleibt nur zu untersuchen, wie weit das Prinzip des Arbeits- 
unterrichts sich innerhalb der erdkundlichen Unterweisung anwenden läßt. 
Die Erdkunde fußt in erster Linie auf Anschauung der Natur oder des 
Naturabbildes. Wie solche Anschauungen auf Unterrichtsgängen oder durch 
Versuche oder längere selbständige Beobachtungen gewonnen werden sollen, 
ist eingehend erörtert worden, ebenso wie selbständige Erkenntnisse aus der 
Betrachtung von Bildern gewonnen werden. Das zweite wesentliche Merk- 
mal der Erdkunde ist die Betonung der Raumverhältnisse, der Größen- und 
Lagebeziehungen. Sie wird angestrebt durch Messen, Zeichnen, Formen, durch 
Lesen und Auswerten der Landkarte. Eine Fülle neuer Gelegenheiten zur 
Selbstbetätigung ergibt sich aus diesem Merkmal — auch hierüber sind an 
anderer Stelle eingehende Ratschläge gegeben worden. Drittens sehen wir 
den Wert der Erdkunde in der überaus reichen Verknüpfungsmöglichkeit. 
„In der Fähigkeit, immer größere Gedankenketten mit logischer Strenge an- 
einanderzureihen zwecks Lösung geistiger Probleme‘ besteht nicht nur das. 
Wesen der formalen Bildung überhaupt, sondern auch der schöpferischen 
Selbsttätigkeit auf rein geistigen Gebieten. Diese Fähigkeit auszubilden und
	        
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