Vorschläge der Unterrichtskommission,
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gezeichnetes Bild der noch immer unhaltbaren Zustände entwarfen. Das Er-
gebnis der umfassenden Verhandlungen, die sich an die Vorträge knüpften,
war die Gründung einer „Ständigen Kommission für erdkundlichen Unter-
richt‘, in die 20 Fachmänner aus den verschiedensten Teilen Deutschlands
und Österreichs gewählt wurden. Die nächste Aufgabe dieser Kommission
war, Nachrichten über die zur Zeit bestehenden Verhältnisse, Klagen und
Wünsche zu sammeln und die Öffentlichkeit durch den Mund der Fach- und
Tagespresse für die Fragen einer besseren erdkundlichen Volksbildung zu er-
wärmen. Nachdem so der Boden bereitet war, erhielt die Kommission auf dem
16. Deutschen Geographentage in Nürnberg 1907 im Anschluß an einen warm-
herzigen Vortrag A. Geistbecks den Auftrag zur Abfassung „einer ausführlichen
Denkschrift über die gesamten zu einer zeitgemäßen Neugestaltung des geo-
graphischen Unterrichts an höheren Schulen erforderlichen Reformvorschläge‘“
Der von H. Fischer, A. Geistbeck, R. Langenbeck und A. Neumann fertig-
gestellte Entwurf wurde im April 1909 in Heidelberg von der Kommission
durchberaten und dann dem 17. Deutschen Geographentag in Lübeck (1909)
zur Beschlußfassung vorgelegt. Er fand dort eine sehr eingehende Besprechung,
stieß aber in vielen Teilen auf erhebliche Widersprüche, so daß er als Ganzes
nicht angenommen wurde. Auch der von R. Langenbeck vorgeschlagene Lehr-
plan, der bereits in Heidelberg verschiedene Bedenken ausgelöst hatte, wurde
von der Vollversammlung lediglich als „Beispiel der Stoffanordnung‘“ ent-
gegengenommen. Nur irrtümlich ist er später vom Zentralausschuß als „ein-
stimmig angenommen‘‘ mit kurzer Begründung an die Regierungen weiter-
gegeben worden. Er lautet folgendermaßen:
Sexta: Betrachtung der nächsten Umgebung des Schulortes (mit Unterrichtsstunden
im Freien und kleineren Ausflügen). Übersicht über die Topographie und politische Ein-
teilung der Erdoberfläche. Erste Einführung in das Verständnis von Globus und Karte
im Anschluß an die Betrachtung der nächsten Umgebung. Die Entwicklung der Grund-
begriffe der mathematischen, physischen und politischen Erdkunde ist, soweit als möglich,
auch an diese anzuschließen, im übrigen bei der Übersicht über die Erdoberfläche an ge-
eigneten Stellen zu geben.
Quinta: Weitere Einführung in das Verständnis von Globus und Karte. Wieder-
holung der Grundbegriffe der mathematischen Erdkunde. Physische und politische Erd-
kunde des Deutschen Reiches mit besonderer Berücksichtigung des Heimatlandes.
Quarta: Physische und politische Erdkunde des übrigen Europa. Aus der mathe-
matischen Erdkunde: Darstellungen der wahren Bewegungen der Erde und der Gestirne
in ihren Hauptzügen und Erklärung der Jahreszeiten,
Untertertia: Länderkunde der außereuropäischen Erdteile mit besonderer Hervor-
hebung der physischen, aber gleichzeitig gebührender Berücksichtigung der politischen,
ethnographischen und wirtschaftlichen Verhältnisse und ihrer wechselseitigen Beziehungen,
Eingehende Besprechung der wirtschaftlich wichtigsten Länder sowie der deutschen
Kolonien. Aus der mathematischen Erdkunde: Wiederholung des Lehrstoffes der Quarta,
Erklärung der wahren Bedeutung der Meridiane, Parallelkreise und der Klimazonen, Hin-
weis auf die Kartenverzerrungen. Aus der allgemeinen physischen Erdkunde: wichtige
Abschnitte der Klimatologie (Land- und Seeklima, Passate, Monsune). 1