Erdkunde und Physik, Gewässerkunde. ; 21
modynamik der Atmosphäre‘ die kinetische Gastheorie oder den Dalton-
schen Satz oder die Morphologie der Wolken behandelt, wenn F. Exner! die
Theorie der Luftströmungen in mathematische Formeln zu bannen sucht,
wenn Hann? Tabellen über den Wasserdampfgehalt der Atmosphäre bei ver-
schiedener Temperatur berechnet oder wenn Börnstein® eingehende Anwei-
sungen zur Wettervorhersage gibt, so sind das alles Forschungsaufgaben, die
der Geograph nicht selbständig zu lösen hat. Es genügt für ihn die Fähigkeit,
die fertigen Ergebnisse kritisch zu verwerten und unter neue Gesichtspunkte
zu bringen.
Und das geschieht in der Klimalehre; denn das Klima ist abhängig von
einer Anzahl räumlich verschiedener Eigenschaften der Erdoberfläche, von
der Meereshöhe, der Verteilung von Land und Meer, der Lage der Gebirgs-
hänge zur Richtung der Regenwinde, und andererseits bedingt das Klima
zahlreiche Erscheinungen auf der Erdoberfläche, wie Luft- und Meeres-
strömungen, Verwitterung, Landformen, Entwicklung des Flußnetzes, Pflan-
zenverteilung und menschliche Kultur*.
Ähnlich liegen die Verhältnisse bei der Untersuchung der Wasserhülle.
Meereskunde oder Ozeanographie, Seenkunde oder Limnologie und
Flußkunde oder Potamologie (Rheologie nach Forel) sind an sich Teile,
nicht Hilfswissenschaften der Erdkunde®. Aber wenn heute eine große For-
schungsreise zur Untersuchung der Meere veranstaltet wird, so arbeiten auf
dem Schiffe die verschiedensten Fachleute — Physiker, Chemiker, Zoologen,
Botaniker u. a. — die vollständig in der Untersuchungsweise ihrer Sonder-
wissenschaft bleiben, denen geographische Gesichtspunkte mehr oder weniger
fremd sind, und so sind auch die in den großen Berichten einer Valdivia- oder
Gauß-Expedition niedergelegten Ergebnisse im ganzen nichts weniger als
geographisch. Genau so wenig sind es die Sammelwerke der Seenkunde, wie
etwa die Monographien des Genfer oder Plattensees®. Ein ganzer Stab von
Forschern hat sich an ihnen beteiligt, und ihre Berichte tragen sehr ver-
schiedenes Gepräge. Es muß erst ein wirklicher Geograph kommen, der die
auseinanderstrebenden Teile zu einem ursächlich verknüpften Ganzen um-
schafft.
‘ F Exner, Dynamische Meteorologie. Leipzig 1917.
2 J. v. Hann, Lehrbuch der Meteorologie. 3. Aufl. Leipzig 1915.
3 R. Börnstein, Leitfaden der Wetterkunde. Braunschweig 1913.
+ Vgl. W. Meinardus, Luftkreis und Weltmeer im Lehrbereich der Geographie. (Geogr.
Abende im Zentralinstitut f. Erz. u. Unt., Berlin 1919.)
5 O0. Krümmel, Handbuch der Ozeanographie. 2. Aufl. Stuttgart 1907. — A. Forel,
Handbuch der Seenkunde. Stuttgart 1901. — H. Ule, Die Gewässerkunde des letzten
Jahrzehnts. I. Seenkunde. II. Flußkunde, Gg. Ztschr. 1899. Abh. d. Geogr. Ges. Wien
1902.
6 A. Forel, Le Leman. 3 Bände. Lausanne 1892—1901, — Resultate der wissenschaft-
lichen Erforschung des Balatonsees. Wien 1897.