Erdkunde und Geologie.
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Wir kommen damit zu dem am schwierigsten festzulegenden Grenzverlauf,
nämlich dem zwischen Morphologie: und dynamischer Geologie. Und
doch ist auch hier die Arbeitsweise, die Fragestellung verschieden.
Der .Geolog fragt z. B.: Wie arbeitet ein Vulkan; welche Magmen bringt
er hervor; wie ist seine Periodizität? Der Geograph: Welche Geländeformen
schafft der Vulkanismus; wie ist er auf der Erde verbreitet; welche Folgen
haben vulkanische Ausbrüche für das Pflanzenkleid, für die Siedelungen?
Der-Geolog legt Dislokationen in der Natur fest, bestimmt deren: Streichen
und Fallen, die Sprunghöhe, das relative Alter; den Geographen beschäftigen
Verwerfungen nur insoweit, als sie die Geländeformen, die Wasserführung
des Bodens, die nutzbaren Lagerstätten, die Siedelungen und Verkehrswege
beeinflussen. An den Dünen fesseln den Geologen die Strukturverhältnisse,
die Wirkungen des Sandgebläses, den Geographen die äußeren Formen, die
Bewachsung, die Bedeutung für Küstenschutz und ähnliches. Es ließen sich
Dutzende von solchen Beispielen anführen. Die Arbeit des Forschers, wie
die Darstellung eines Lehrbuches werden zwar nicht immer so scharf trennen
können; aber je mehr die Erdkunde sich frei macht von unnötigen Abstechern
in andere Gebiete, je mehr sie sich auf ihre eigenen, unbestrittenen Aufgaben
besinnt, um so besser für sie.
Noch einige Stimmen aus den beiden Heerlagern mögen zur Kennzeichnung
der verschiedenen Auffassungen dienen. v. Fritsch sagt: „Die physische
Geographie ist eine beschreibende Naturwissenschaft, deren Gegenstand der
gegenwärtige Zustand der Erde, also das Gewordene ist; hingegen das
Werden, die Entwicklung, die vormaligen Verhältnisse gehören der Geo-
logie an.‘ Ähnlich äußert sich A. Geikie: „Sobald der Geograph den Ursprung,
die Entstehungsweise irgendeiner einzelnen Tatsache der physischen Geo-
graphie ergründen will, befindet er sich auf der Domäne der. Geologie.“
Tietze warnt nicht mit Unrecht vor der allzu geologischen Färbung der
Länderkunde, weil „die Geographen durch gewisse geologische Spekula-
tionen zu größeren Verallgemeinerungen verleitet werden, als wünschenswert
ist; denn sie sind vielleicht nicht durchgehends in der Lage zu. verkennen, daß
diese geologischen Spekulationen keineswegs allgemein auf tektonischer Basis
aufgebaut, sondern oft rein morphologischer. Natur sind, wobei sich die den
betreffenden Ausführungen beigefügten geologisch-tektonischen Daten oft
nur wie ein mehr oder minder reicher Arabeskenschmuck des spekulativen
Gebäudes ausnehmen‘“. H. Wagner betont scharf die Grenzlinie: „Beide
Wissenschaften zielen innerhalb des gemeinsamen Arbeitsfeldes auf Er-
kenntnis der Entstehungsweise der Einzelformen ab. Aber für die Erdkunde
ist dies nicht Selbstzweck. Ihre Aufgabe ist umfassender. Die Erdbeschreibung
im höheren Sinne ist, wie man nicht mit Unrecht gesagt hat, eine begriffliche
Nachbildung der Erdoberfläche (Wisotzki); sie muß die Einzelformen, die uns
in buntester Mannigfaltigkeit nach Größe — — auf ihr entgegentreten, in