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Oberstufe.
eingetaucht wird! Trotz der geforderten Gründlichkeit kann die Behandlung
gewisse Gesichtspunkte etwas vernachlässigen, andere stärker betonen. Es
ist eine‘ notwendige Folgerung des früher Gesagten, daß die stärker be-
rücksichtigten Probleme vorwiegend der anthropogeographischen Seite
angehören werden — seien es nun mehr wirtschaftliche oder mehr politische
Fragen — und daß die Geomorphologie, die geologisch begründete Land-
schaftskunde, zurücktritt.
Welche Länder wählen wir aus? An sich läßt sich das allgemeine Ziel,
die Einführung in das Verständnis wissenschaftlicher Länderkunde, bei der
Betrachtung eines jeden Landes erzielen, und der Lehrer wird vielleicht
ım seiner eigenen Anregung willen alljährlich neue Stoffe auswählen. Die
praktischen Bedürfnisse erfordern aber in erster Linie eine Kenntnis jener
Länder, die am tiefsten in unser eigenes wirtschaftliches und politisches
Leben eingreifen. Das sind 1. die Weltmächte, 2. unsere Nachbar-
länder, 3. Deutschland selbst. Unter den Weltmächten der nächsten
Zukunft nehmen Größerbritannien, die Union und Japan wohl den
ersten Rang ein. Je nach der Art ihrer Machtquellen werden diese Länder
anders zu behandeln sein. Man wird bei England auf die zielbewußte
Sicherung der Seeherrschaft durch Anlage von Stützpunkten, geeignete
Zusammenlegung von Kolonien, Einrichtung von Verkehrswegen und Nach-
richtenvermittlung besonderes Gewicht legen, bei der Union auf die unge-
heuer reiche Ausstattung mit Rohstoffen, bei Japan auf die erstaunlich
rasche Anpassung an europäische Wirtschaftsformen und die kluge Aus-
nutzung politischer Weltlagen hinweisen. Ein Gedanke aber soll jede dieser
Behandlungen durchdringen: wir müssen den fremden Staat, das fremde
Volks- und Wirtschaftsleben in ihrer machtvollen Blüte aus sich selbst
heraus zu verstehen suchen. Das widerspricht anscheinend einem oft
zeäußerten methodischen Grundsatz, den man als den „deutschzentrischen“
bezeichnet hat. Die an sich ausgezeichnete ‚Nationale Erdkunde“ von
Hauptmann ist ein ausgeführtes Beispiel zu diesem Grundsatz. Jedes Land
ist in zielbewußter Einseitigkeit daraufhin untersucht, welche wirtschaft-
lichen, politischen, kulturlichen und völkischen Beziehungen wir zu ihm
haben.
Das ist gewiß ein lobenswertes Bemühen, gleich wertvoll für die Aus-
bildung eines stärkeren Nationalbewußtseins wie für das Eindringen in die
wirtschaftlichen Tagesfragen. Überdies wird uns vielfach schon die Stoff-
überfülle zu einer derartigen Einseitigkeit zwingen. Wir können deshalb den
Gesichtspunkt für die Mittelstufen-Länderkunde nur empfehlen. Auf der
Oberstufe genügt eine solche Behandlung nicht. Nehmen wir Japan als
Beispiel. Würden wir es lediglich als Deutschlands Kunden und Schüler
hinstellen, so wäre das Thema rasch erledigt. Aber wenn wir uns ein Urteil
bilden wollen, nach welcher Richtung Japans Aufstieg wohl in Zukunft