Die Allgäuer Alpen. 77
einige Pflanzen der Alpenmatten; einige Ansichtskarten mit Sennerinnen bei
der Arbeit und im schmucken Festkleid werden vorgelegt. Für die Dar-
bietung des weiteren Stoffes wählen wir wieder eine neue Form. In Hermann
Wagners „Entdeckungsreisen‘“ (Leipzig, Spamer) sind hübsche, kindliche
Briefe, die ein Junge von der Alpenreise an seinen Bruder daheim schreibt.
Beschreibung und Handlung wechseln darin ab; der Ton entspricht durchaus
dem Sextanerstandpunkt. Also lesen wir den Brief, nachdem wir unsere An-
schauungsmittel vorgeführt haben, vor:
(Gekürzt.) Gegen Abend kamen wir zu einer Sennhütte. Wir waren mehrere Stunden
jang bergauf geklettert und gehörig müde, hungrig und durstig. Der Platz, auf dem die
Sennhütte stand, wollte mir gar nicht gefallen. Er war ringsum naß und kotig. Der
Führer sagte aber, man baue die Sennhütten gern in die Nähe von Wasser, weil man zur
Butter- und Käsebereitung viel Wasser brauche. Man leite sogar mitunter eine Wasser-
inne durch die Milchkammer, wenn sich’s tun lasse. Die Kühe waren tüchtig im Kot
1erumgetreten, und ein paar Schweine grunzten uns zum Willkommen an. Sie hatten
Ringe von Eisendraht durch die Nase. Es wurde mir gesagt, dies geschähe, damit Sie
nicht die Alpweide zerwühlten. Um die ganze Sennhütte stand ein Dickicht von Alpen-
ampfer, den die Kühe nicht fressen mögen. Die Wände waren unten von Steinen gebaut,
oben aus Holzstänmmen, die an den Enden ineinander gekrempt werden. Die Lücken
hatte man mit Moos zugestopft. Auf dem Bretterdache lagen wie gewöhnlich große Steine,
Jamit der Wind die Schindeln nicht fortwehe.
Auf einigen großen, holprigen Steinblöcken, die die Treppen vorstellten, kletterten
wir nach der Tür. Diese war durch ein kleines Gitter verwahrt. Zunächst gelangten wir
in einen Stall mit Kälbern. Als Streu war Moos darin. Dann erst kam die eigentliche
Holztür mit einem Schloß, auch von Holz, einem Riegel mit eingeschnittenen Zähnen.
Jetzt traten wir ein und begrüßten die Sennerin. Es war eine alte, sehr kräftige Frau
mit Runzeln im Gesicht, die schon 30 Sommer auf die Alm gezogen war. Die Senner
suchen eine besondere Ehre darin, ein recht schmutziges Hemd zu haben. Sie meinen,
man erkenne daran die fleißigen Arbeiter. Die alte Sennerin schien ihrem Hemd nach
sehr fleißig zu sein. Außer ihr war aber auch noch eine junge Sennerin da, erst 16 Jahre
alt, aber wie es schien auch so fleißig. Ihr Röckchen war unten in lauter Streifchen zer-
schlitzt, nicht künstlerisch, rein natürlich, von selbst. Auf den Alpen ist alles reine Natur.
Anfänglich glaubte ich, sie habe dunkle Strümpfe an — es waren aber die lebendigen Beine.
Wir legten unsere Sachen ab, setzten uns und sahen die Sennhütte von innen an,
Dielen gab’s nicht, es war die nackte Erde. An einer Wand hin lief eine Holzbank. Ein
Tisch war auch vorhanden, freilich ein wenig klein; er konnte an der Wand in die Höhe
zeklappt und auf ein bewegliches Bein heruntergelassen werden. Er war sehr rein ge-
scheuert; ebenso waren alle hölzernen Milchgeschirre sauber, weiß und rein. Die Wände
dagegen erschienen vom Rauch desto schwärzer. In einem Winkel war ein Holzfeuer an
der Erde, links und rechts daneben Steinmauern, mit Ruß überzogen. Dies war der Herd,
Neben dem Feuerplatze stand ein starker Pfahl. Oben an ihm ging ein Querarm herüber,
der sich drehen ließ. Er sah fast aus wie ein Galgen aus alter Zeit. An diesem Arme hing
eine Eisenstange mit großen Sägezähnen und hieran der Kessel,
Ein Fenster war nicht vorhanden. Die Decke ward durch das Dach gebildet. Durch
ein Loch im Dach zog der Rauch hinaus. An der Wand gegenüber dem Herde stand eine
große, feste Bettstelle mit Heu und ein grobes Stück Zeug darüber als Bettuch. Eine dicke
Decke stellte das Deckbett vor. Zum Willkommen bot uns die Sennerin einen großen
Holznapf voll Milch. Dann machte sie einen Schmarren zurecht. Sahne, Mehl und Butter