Länderkunde von Europa,
oder das Felsengebirge, wird in der Phantasie des Schülers ebenso wie in der
des Erwachsenen mit den Farben gemalt, die wir in den Alpen verwendet
haben. Deshalb verweilen wir hier mit besonderer Liebe — vielleicht bis-
weilen länger, als die knapp bemessene Zeit zuläßt. Keinesfalls reichen natür-
lich jene Wesenszüge zur Kennzeichnung der Alpen, die wir im vorigen Jahre
ei der Betrachtung des deutschen Anteils gewonnen haben.
Bei aller Einzelschilderung aber dürfen wir nicht die allgemeinen Ziele
aus dem Auge verlieren, und das sind etwa folgende:
Gliederung eines Hochgebirges in Ketten und Stöcke, in Längs- und Quer-
‘ler, die klimatischen Höhenzonen, insbesondere Schnee- und Eisgebiete,
die Arbeit des fließenden Wassers, die Bedeutung der Seebecken, die Eigen-
art der Siedelungen, die verschiedenen Verkehrswege.
Die Aufgabe läßt sich verschieden anfassen. Zu einer scharfen Gliederung
der Haupttatsachen gelangen wir am besten, wenn wir die genannten Themen
nacheinander abhandeln und dazu jene Anschauungsmittel — ohne Rück-
sicht auf die Lage — benutzen, die die Sammlung aufweist. Oder die großen
Wandbilder treten in den Mittelpunkt: die Lage des dargestellten Ortes wird
auf der Karte festgelegt und dann das Bild allseitig besprochen. Oder endlich:
wir machen mit den Schülern Phantasiereisen, wobei die einzelnen Beobach-
‘ungen über Felsformen, Klima, Siedelungen u. a. gelegentlich angestellt
werden. Reiche Anschauung ist in keinem Falle zu entbehren, ebensowenig
systematische Zusammenfassung, wenn das System auch nicht an den Anfang
gestellt wird.
Kennzeichnen wir kurz den ersten Weg! Der Verlauf und die all-
gemeine Gliederung der Alpen mögen zuerst eingeübt werden. Ein
nicht zu schematisches Kartenbild der Alpen dem Gedächtnis einzuprägen,
ist eine schwere Sache. Früher wurde darauf unendlich viel Mühe und Zeit
verwendet. Strichskizzen und Flußnetzkärtchen dienten zur Unterstützung.
jetzt ist man vielfach ins Gegenteil verfallen und vernachlässigt die topo-
graphische Grundlage allzu sehr. Gewiß — die vielen Namen von Ketten und
Gipfeln bringen wenig neue Erkenntnis; ihre Beherrschung gehört mehr ins
Gebiet der Wanderkunst. Aber die Teilungslinien, also die Flußtäler und
Wasserscheiden, sind für den Menschen außerordentlich bedeutsam, und die
wichtigsten Alpenpässe zu lernen ist durchaus keine überflüssige Arbeit.
Damit ist gleichzeitig die Kettengliederung zu einem guten Teil geklärt,
Man hat die Dreiteilung der Alpen in West-, Mittel- und Ostalpen in der
Wissenschaft zugunsten der Zweiteilung aufgegeben. Lassen wir unbedenk-
lich alle beide Arten lernen — wir gewinnen dadurch drei scharfe Grenz-
linien, die der Schüler schon von fern aus der Wandkarte herausfinden soll.
Ehe die weitere Gliederung geübt wird, werfen wir einen Blick auf die geo-
logische Karte, um den Ausdruck Urgesteins- und Kalkalpen zu entwickeln.
Unsere erdgeschichtlichen Mitteilungen beschränken sich noch ganz auf die
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