Full text: Öffentliche Bauten

Gitter vor dem Depositenraum. 
Sprachschatzes zu bedienen, wenn er ihm geeignete 
Ausdrucksmittel bot. Das genügt für oberflächliche 
Jınd voreingenommene Betrachter seiner Werke, ihr 
ohne weiteres in die Kategorie der „retrospektiven‘ 
Architekten einzureihen. In Wahrheit vermag nur 
die völlige Unbefangenheit, mit der Fischer den 
alten Stilen gegenübersteht, wie er mit ihnen nach 
ireier Wahl, nicht als gelehrter Imitator, schaltet, 
die Tyrannei der historischen Bauweisen endgültig 
zu brechen, nicht der Purismus jener um jeden Preis 
modern seinwollenden Künstler, die mit der gleichen 
sklavischen Ängstlichkeit, mit der waschechte ‚Stil- 
Architekten’ das Alte nachbilden wollten, jeden An- 
klang an schon Dagewesenes perhorreszieren. Es 
‚ächt sich bei gar manchen dieser Modernen: nicht, 
daß sie von der Malerei oder vom Kunstgewerbe, 
statt von der Architektur, ausgingen, sondern daß sie 
von Theorien, von einer, was man so sagt, Welt. 
“enster am Südgiebel mit Plastiken von Bildhauer Neumeister. 
anschauung ausgingen., Sie wollen den Geist unsrer 
Zeit in ihren Bauten ausdrücken, und dazu bedarf 
es nach ihrer Ansicht eines Stils, der in nichts mehr 
an ältere Zeiten erinnert. Demgegenüber sei an ein 
Wort Conrad Fiedlers erinnert: „Die Künstler sollen 
veinen Inhalt der Zeit zum Ausdruck bringen, sie 
sollen vielmehr der Zeit erst einen Inhalt geben“*) 
und an einen Aufsatz von Adolf Hildebrand**), in 
dem es heißt: „Es ist eine oberflächliche, rein formale 
Einteilung, wenn man die architektonischen Leistungen, 
das künstlerisch Gute an einem Bau vom Stil ab- 
'eiten will, in ihm die Erklärung sucht. Das Schaffen 
in Verhältnissen, die innere Formkonsequenz, das 
Schalten und Walten mit Gegensätzen, Richtungen 
atc. ist ein künstlerischer Vorgang und Inhalt, welcher 
ınabhängig vom Stil zu betrachten ist und in der 
Tauptsache schon vollständig feste Gestalt annehmen 
zann, ohne überhaupt noch in eine bestimmte Stil- 
rt auszulaufen. Das was bei einem Bau noch im 
lalbdunkel als große Masse und in großen Gegen- 
‚Aätzen z. B. als geschlossene Wand gegen eine Halle 
ıoch wirkt, also das Hauptmotiv in seinen Verhält- 
1issen, bildet den Kern der architektonischen Leistung 
ınd ist als solcher genießbar, ohne daß wir er- 
kennen, in welcher Stilart der Bau sich ausdrückt... 
Die Architektur vom Standpunkt der Stilfrage an- 
sehen und erklären wollen, heißt Grammatik treiben 
ınd Philologe sein ... Im selben Mißverständnis 
»efindet man sich aber, wenn man den Segen von 
nem neuen Stil erwartet und sich bemüht, ein 
Volapük zu erfinden. Als brauchte man eine neue 
Sprache, um etwas Neues zu sagen.“ 
Wie eine Umschreibung für das Arbeiten Fischers 
klingt das, was da Hildebrand als künstlerischen 
Vorgang und Inhalt definiert. Bei dem kurzen 
Rückblick auf seine früheren Bauten wurde schon 
hervorgehoben, welchen Wert Fischer darauf legt, 
die Flächen nicht durch vorspringende Verzierungen 
und Gliederungen zu zerreißen. Beim Universitäts- 
au wurde vor allem dies Prinzip betont und mit 
„innerer Formkonsequenz“ aus ihm das charakteris- 
üische Gepräge entwickelt, das namentlich der Haupt- 
fassade die Monumentalität gibt. Und gerade in 
ldiesem Prinzip trifft sich Fischer mit einem Archi- 
‚ekten, den jene Zeitgeist-Baukünstler als Führer im 
Kampf gegen die ‚Stilarchitektur’ verehren müssen, 
mit dem Holländer Berlage. Er sagt in seinem Buch 
„Grundlagen und Entwickelung der Architektur“***): 
„Die Kunst des Baumeisters besteht darin, Räume 
zu Schaffen, und nicht, Fassaden zu entwerfen. Eine 
Raumumschließung wird durch Mauern hergestellt; 
Jaher manifestiert sich der Raum, oder verschiedene 
Räume, nach außen als ein mehr oder weniger zusam- 
mengestellter Komplex von Mauern. Aufdie Mauer 
ällt dabei in diesem Sinne wieder der gebührende 
Wert, daß sie ihrer Natur nach flach bleiben soll, 
*) Herm. Konnerth, Die Kunsttheorie Conrad Fiedlers 
‚München, Piper 1909) S. 164. 
**) Gesammelte Aufsätze (Straßburg, Heitz, 1909) S. 17 f. 
***) Berlin, Bard 1908, S. 115 f.
	        
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