Full text: Öffentliche Bauten

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st. Anderseits verlangte die Bauart der ober- 
deutschen Hochebene, daß das Werk nicht, wie die 
Gaggstatter Kirche, in Sandstein ausgeführt werde; 
auch das Münster ist ja fast völlig Ziegelbau und 
1at in der Hauptsache erst durch die Zutaten des 
19. Jahrhunderts den an dieser Stelle etwas fremd- 
artigen Hausteincharakter angenommen. Es lag 
nahe, sich der machtvollen Wirkung der bayrischen 
Backsteinkirchen, der Frauenkirche in München 
>twa, zu erinnern. Und in der Tat hat mit diesem 
Typus der Bau in seiner kräftigen Silhouetten- 
wirkung Verwandtschaft; nur erscheint seine Wucht, 
nit jener der gotischen Backsteinkirchen verglichen, 
noch gesteigert. Unter den von Fischer bisher er- 
richteten Gotteshäusern ist er zweifellos der ge- 
waltigste. Dabei ist besonders hervorzuheben, daß 
die absoluten Maße gar nicht so bedeutend sind 
Länge 48, Breite 28,50, Schiffhöhe im Lichten 15, 
Turmhöhe 55 m. Der Bau erscheint jedoch, dank 
ler glücklichen Gegeneinandersetzung massiger und 
zierlicher Formen, sowohl im Aeußeren, wie im 
.nneren, überaus groß. 
Von einer einzigen Schauseite zu sprechen, geht 
hier nicht an. Die wirksamste Partie ist wohl die 
Ostseite. Man kann sich kaum einen gewaltigeren 
Zindruck denken, als jenen, den die Kirche ausübt, 
wenn man, auf der alten Heerstraße sich dem Stutt- 
zarter Tore nähernd, um einen Vorsprung des an- 
steigenden Hügels biegt und plötzlich die beiden 
jesigen runden, sich leicht verjüngenden, von Spitz- 
1auben bedeckten Türme mit dem tiefen, dunklen 
Entlastungsbogen dazwischen, der wieder nur die 
Glockenstube trägt, vor sich sieht. Man möchte 
glauben, Fischer habe geradezu mit der wieder 
stärker gewordenen Benutzung der Landstraße in 
der neuesten Zeit gerechnet, die es von selbst mit 
sich bringt, daß die Eingänge in die Stadt wieder 
mehr betont werden müssen, aus dem gleichen 
ürunde, wie in den Zeiten der Postkutsche: Schon 
oeim Eintreten soll der Fremde einen Vorgeschmack 
des Bürgerstolzes und der Kunstfreudigkeit ge- 
winnen, die ihn im Inneren des Gemeinwesens auf 
Schritt und Tritt erwarten. 
Auf daß jedoch auch der Einheimische zu 
seinem Rechte komme, steht dieser stattlichen Chor- 
ınd Turmseite, deren Größenwirkung durch die 
ıedrigen Anbauten der Sakristei und des Konfir- 
nandensaales noch gesteigert wird, im Westen die 
Zingangsseite gegenüber. Und hier nun hat der 
Architekt etwas beispiellos Kühnes gewagt. Für die 
gewaltige Orgel wurde eine eigene Westapsis ge- 
schaffen, also ein Bauglied, das in seiner Erscheinung 
:twa den Westchören der doppelchörigen Kathe- 
dralen entspricht. Niemals hätte ein. Baumeister des 
Mittelalters in diese Konchen den Eingang in die 
Kirche verlegt; die Portale sind rechts und links 
der Apsis oder an den Langseiten. Die Ursache 
dieses Herkommens ist nicht künstlerischer Natur, 
sondern einerseits durch den Kultus, anderseits durch 
statische Rücksichten bedingt: eine Epoche, die 
uhige Flächen liebte und der Lastübertragung durch 
streben nicht eben günstig gesinnt war, durfte eine 
ırhebliche Durchbrechung der Wände einer ge- 
völbten Nische kaum wagen; auch erheischte das 
Sultbedürfnis Geschlossenheit und Ruhe hinter dem 
Altar. An der neuen Garnisonkirche in Ulm fielen 
ıuf der Westseite gottesdienstliche Rücksichten der 
yenannten Art im voraus weg. Die Apsishochwand 
nit dem grossen Zeltdache aber wird durch kräftige 
V/erstrebungen gehalten, zwischen denen Säulen eine 
Mendgalerie tragen. Der Eindruck dieser archi- 
ektonischen Lösung ist durchaus erfreulich. Voll 
‘ufrichtiger Bewunderung sieht man ‚auch hier 
vieder, wie der schöpferische Genius selbst in 
ınseren Tagen noch neue Gebilde zu schaffen weiß, 
lie, unter Vermeidung sowohl jeglicher gedanken- 
osen Nachahmung leerer Formeln, wie auch alles 
Zufälligen und Kapriziösen, sich in bezug auf ernste 
Jurcharbeitung des Problemes den Schöpfungen 
ler alten, in starker Tradition und Schulung er- 
wachsenen Meister würdig anreihen können. 
Zwischen den Portalbau und die Chorpartie 
chiebt sich das Langhaus, einschiffig entworfen, 
loch mit Rücksicht auf die Steigerung der Innen- 
virkung dreischiffig durchgeführt. Den Kern des 
3aues bilden vier mächtige Eisenbetonbogen auf 
;strebenartigen, nach außen vortretenden Trägern. 
n dieses Gerüst ist das flache Tonnengewölbe der 
Jecke, sind die Backsteinwände der Langseiten 
ılneingespannt. 
Betreten wir das Innere, Vor dem Portal, neben 
lem zwei Bronzefiguren Daniel Stockers, Paulus 
ınd Johannes, stehen, liegen die Wappentiere des 
<Önigreichs Württemberg, prächtige Arbeiten des Bild- 
1auers Jakob Brüllmann, ausdrucksvolle Sinnbilder 
ler veränderten Zeit: Der staufische Leu und der 
ıltwürttembergische Hirsch, der jenen in der Herr- 
:chaft über Schwaben abgelöst hat, auch über die 
‚tolze Reichsstadt, die einst manchen harten Strauß 
nit den Württembergern siegreich bestand. Die 
1eue Zeit! Sie wird uns, und diesmal nicht durch 
las Mittel der geschichtlichen Reflexion, unmittel- 
Dar lebendig, wenn wir plötzlich in das weite, helle 
‚nnere der Kirche blicken. Ein unvergleichlich ge- 
valtiger Raum. Mit Recht sind die Seitenschiffe 
ehr klein gehalten; das Mittelschiff wirkt dadurch 
‚ur um so imposanter, Mächtig treten die Eisen- 
jetongerüste hervor, flachgedrückte Kleeblattbogen, 
lie Fischer von jeher gern anwendete, und die 
ıuch in den Fenstern und den Scheidbogen wieder- 
:ehren, die derart zueinander ins Verhältnis gesetzt 
ind, daß einem Fensterpaare je drei untere Arkaden 
ntsprechen. 
Der Chor, eine rechteckige Nische, wird durch 
wei schlichte Pfeiler gegliedert. Zwischen ihnen 
’rscheint über dem Altar die übermenschlich große 
jestalt des Gekreuzigten, helleuchtend auf dunkel- 
»%lauem Grunde, ein wahrhaft monumentales Werk 
‚on Adolf HMölzel. Darüber in allzu groß ge- 
atener und dadurch die Wirkung der Altarnische
	        
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