2295 WASSE— WASSER I, 1—3
lekten: wäsz “scharf” (eigentlich und figürlich) SCHMELLER
2, 1019 (Oberschwaben); in Österreich wäsz ‘rauh, scharf,
spitzig' HÖFER 3, 270, CASTELLI 265. LORITZA 141.
WASSE, WAÄASSE, f. schärfe, schneide. ableitung von
dem vorausgehenden wort, ahd. hwassa, wassa GRAFF
4, 1241 und hwassi, wassi, wessi (auch übertragen ‘saga-
citas, efficacia”) 4, 1242; damit fiel später zusammen eın
vom adj. hwaz (s. o.) abgeleitetes *hwazza (acies ferri,
waze STEINMEYER-SIEVERS gl. 38, 382, 53), übereinstimmend
mit mnd. mndl. wate (westfäl. wate ‘senseneisen’ WOESTE 317,
ndrhein. wate Teuthonista 96 Verdam, ndl. waat ‘schärfe
zines schneidenden werkzeugs’ CORNELISSEN EN VERVLIET
Antwerpsch dialect 143). im hd. läszt sich wasse nur bis
ins 15. jh. nachweisen:
in flamme diu moht reichen
zuo der erde von den lüften,
als man dä szehe tüften
ain guldine masse,
dannoch glanzer wasse.
Servatius 1426 Haupt;
sin swert muz sie sniden
mit sins wortes wazzen
lurch die ganzen mazzen
les libes in der sele mark.
H. v. HESLER Apokalypse 2817 Helm,
0 wy mang tausent plutes zar
wart auff die erd geflost,
ın wasz von dorn
ainten und vorn
sein haupt verwunt.
HAns FoLz 27, 77 Mayer;
lie metzer solen gesteilt sin van der wassen an bis an
lat zeichen Kölner zunfturkunden 1, 154, 33 (1897) v. Lösch.
WASSER n. aqua.
IL verwandtschaft und form.
1) das wort lautet ahd. wazzar, mhd. wazzer, as. watar,
mnd, nnd. ndl. water, afries. wetir, weter, wetter, water,
watir RICHTHOFEN 1145®, wfries. wetter DIJKSTRA 3, 430°,
1gs. wgter, mengl. nengl. water. dieser westgerm. bildung
mit rv stehen im ostgerm. bildungen mit n gegenüber: got.
watö, anord. nnorw. vatn, schwed. vatten, dän. vand. beide
bildungen gehen auf ein zur wurzel *ved, *ud gehörendes
indogerm, neutrum zurück mit einem r-suffix im nom.
u6C. Sg.,, einem N-suffix in den übrigen casus, wie noch gr.
0 Sf
vdwo vVdaTtTOS (*udntos und umbr. nom. acc. sg. utur
‘wasser’, abl. une (*udne zeigt. zur n-form gehört noch
skr. udän-, alban. uje (*udnio ‘wasser’; mit n-infix lit.
vandü, gen. vandens, apreusz. unds, wundan “wasser”, lat.
unda ‘woge’, vgl. skr. unädmi, undämi ‘benetze’; an die
r-form sSchlieszt sich skr. an-udrä- ‘wasserlos’ und otter
8. d.} mit seinen verwandten an; ferner stehen in der
bildung asl. voda ‘wasser’, arm. get ‘flusz’, air. os, usce
‘wasser’ 8. BRUGMANN grundrisz?*2, ı, 579. 343. 310. WALDE?
350. FALK-TORP 2, 424, Fıck 3%, 384. aus dem germ. gehört
noch hierher die ablautende bildung afries. wet ‘“nasz',
ugs. WEt, nengl. wet, anord. vätr ‘feucht’, schwed. vät, dän.
7aad; vgl. auch waschen IL, 1.
2) die declination ist durchgängig stark, nur in Schweizer
drucken begegnet der mundartliche schw. gen. pl. wasseren
Züricher bibel 1. Mos. 1,10. FRISIUS diet. (1556) 936°, CALE-
PINUS XI ling. (1598) 340%, 618°, 819%, STUMPF Schwytzer-
;hr. 9; acc, pl. über tiefe wässern reyszen S. MÜNSTER
co8mogr. vorr. 3.
3) der plural hat gesetzmäszig keinen umlaut, doch be-
geqnet er zuweilen seit dem 16., häufiger seit dem 17. jahrh. ;
örtliche abgrenzungen sind hierfür kaum möglich; der
plural wird, besonders in der volkssprache, so selten ge-
braucht, dasz er wol in den meisten fällen neu aus dem
sprachgefühl des einzelnen heraus theils ohne, theils (unter
gelegentlichem einflusz von gewässer) mit umlaut gebildet
wird, und zuweilen auch schwanken bei ein und demselben
schriftsteller zu beobachten ist; mitbestimmend ist gewisz
auch das bedürfnis der unterscheidung vom sing. die
litterurischen belege für den umlaut vertheilen sich auf das
ganze sprachgebiet; das gewöhnliche ist er bei den Schle-
siern des 17. Jahrh., am wenigsten betheiligt erscheint das
thüringisch-obersächsische. ADELUNG gibt die unumgelautete
form als regel an; das häufige vorkommen in der Luther
bibel (1. Mos. 1, 6. Jes. 40, 12. sprüche 30, 4 u. 3. w.) gibt ihr
starken halt, sie herrscht auch jetzt im schriftdeutschen
WASSER I, 4—I[L, A, 1 2296
ind wird als die edlere empfunden. nur bei der bedeu-
ung ‘“mineralwasser, essenz‘ (s. II E 3. 4) scheint sich der
lural wässer ‘verschiedene sorten davon’ besonders in zu-
'ammensetzungen (Mineralwässer, mundwässer) einzu-
ürgern (im 17., 18, jahrh. ist eine bevorzugung der umlaut-
orm für diese bedeutung nicht nachzuweisen); auch die
jetzt als plurale tantum gebrauchte zusammensetzung ab-
vässer hat den umlaut. im 18., 19. jahrh. haben z. d. den
vl. wasser: GOTTSCHED ged. (1751) 69. BODMER Noah (1752) 4.
TALLER Usong 19. KLOPSTOCK Messias 8, 501. 17, 87. LES-
3ING 2, 211. HERDER 3, 69. 26, 312 Suphan. GÖTHE werke
!, 68. 7,110. 8, 147. 25, I, 109. 80, 6 Weim. ausg. wohlriechende
wasser 44, 113. naturw. schriften 1, 66. der gebrauch heil-
jamer wasser briefe 41, 88, aber die mineralischen wässer
36, 118. pl. wasser ferner SCHILLER 14, 271. 277. UHLAND
7ed.* 41. RÜCKERT ged. 3, 357, 519. GEIBEL 2, 68. STORM
‘t, 229. der pl. wässer ist seit dem 16. jahrh. belegt, z. b. bei
ZBERLIN 2, 18 neudr. FISCHART 2, 9 (v. 217) Hauffen (meist
ıber ohne umlaut 3, 28, 17. 175, 13). MÜNSTER cosmogr. (1588)
.03, 296. 378. im 17. jahrh.: ALBERTINUS thurnierplatz 121.
80. Lucifers königreich 11, 26 v. Lilieneron neben wasser
veckuhr 1,19” (‘“essenzen’). 2,38%. MICRAELIUS altes Pommern
„1 (neben wasser 1,8). SPEE trutznacht. (1649) 39. 105. 119 u. ö.
JACH 273 Österley. BÜRSTER schwed, krieg 5. PRÄTORIUS
vinterflucht (1678) 56; besonders auch bei den Schlesiern OP1TZ
voem. (1624) 121 u.ö. Hercinia 40. psalmen 34 (18, 5). SCHERF-
7ER ged. 687. GRYPHIUS bei ADELUNG (‘essenzen’). LOHEN-
STEIN Arminius 2, 302°, 1147”, im 18. Jahrh.: KRÄMER 12122
SANT 6, 87. SCHUBART üsthetik der tonkunst 304. A. G.
MEISZNER Alcibiades 3, 283 (wohlriechende wässer). Hır
PEL 12, 152 (‘mineralwasser”), auch im deutsch-orthogr.
ıandbuch (München 1778) 191®*. im 19. jJahrh.: TIECK 4, 241
‚wasser 4, 8). GÖRRES briefe 3, 91. PYRKER Tunisias (1832)
„129. BETTINE dies buch gehört dem könig (1843) 2, 437.
lie Günderode (1840) 1, 157 (daneben wasser 1, 102). VARN
JAGEN Rahel 2, 541 (‘mineralwasser”). 453, IMMERMANN
Münchh.? 4, 129. werke 12, 108 Boxberger. V. GAUDY (1844)
.3, 23. 20, 111. STIFTER werke (1901 ff.) 2, 245 (neben wasser
2, 28), MOMMSEN röm. gesch.* 1, 34. SCHEFFEL frau Aven-
äure!® 127. STEUB wanderungen im bayr. gebirge 172
geistige wässer). 138. v.POoLENZz der Grabenhäger 2, 130.
m bergbau des 18. u. 19. jJahrh., bes. österr. VEITH 553.
‚on den dialektwörterbüchern führen den pl. mit umlaut
ın SCHÖPF 808 (pl. wasser zum sg. wässer), wässer neben
wasser MÜLLER-FRAUREUTH 2, 643®; weters WOoESTE
317% (aber wäsar, wäsara MARTIN-LIENHART 2, 863%),
4) die hd. form wasser ist auch ins nd. gebiet einge-
Irungen, sie begegnet nach WREDE zeitsch. f. d. alt. 19, 283
‘äufig zwischen Elbe und Oder und östlich der unteren
Veichsel, doch auch im nfr., z.b. in Cleve op sterk wasser
jette FIRMENICH 1, 382, 20; das schwanken in den über-
7angsgebieten zeigt z. b. dat wilde water ind den waszer
stroyne weisth. 2, 784 (Cornelismünster 1482). — über mund-
arlliche längung des & und seine verdumpfung zu 0 8.
WREDE a. a. 0. und dazu BREMER beitr. z. geogr. der d.
mda. 165,
IL. bedeutung und gebrauch.
A. wasser in eigentlichem sinne ist die auf der erde
verbreitetste flüssigkeit, wie sie kreislaufend ım regen, in
wasseradern, quellen, flüssen, seen, im meere (und diesen
entnommen im gebrauch des menschen, s. B) erscheint.
1) allgemeine bedeutung und bedeutungsverengqungen.
a) das wasser als stoff.
&) es galt bis ins 18. jahrh. als einer der vier qrundstoffe:
vier dinc von gote der krefte waltent,
daz si die werlt alle üf haltent
und alliıu dine näch irem werde:
Nur, luft, wazzer und erde.
wazzer und erde wegent nider,
fiur und luft diu strebent wider,
zwei sint lihte, zwei sint swer.
H. v. TRIMBERG 6057 Ehrismann:
auch fewr, lufft, erd, und wasser,
ihr elementen vier. SPEE frutznacht, 62.
auch der mensch besteht aus ihnen:
wie unser leib sey gefüget...
usz truckner erd, usz wassers tuft,
usz heiszem fewr, usz windes luft.
HÄTZLERIN liederbuch 2, 68, 281 (s. 267);