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WÄGEN 111 2,
wer dringt so tief ins mark der charaktere,
wägt jedes wort, schattiret jeden ton?
GoTtTER 1,340 (an eine schauspielerin),
n) im bildlichen ausdruck (vgl. wage oben sp. 356) findet sich
wägen auch für zutheilen, abmessen, bestimmen, entscheiden, so
von golt, den göltern?
Apolle und die Camenen,
Jer ören niun Sirenen, ;
die dä ze hove der gäbe pflegent,
ir genäde teilent unde wegent,
als si ir der werlde gunnen.
G. v. STRASzZBURG Tristan 48723;
schon wägst du (weltrichter) der empörer lohn,
vernichtung oder qualen. ScHuBART 2,85;
herrlicher, der du in ernster waage
unpartheilich unser schicksal wägst.
KOSEGARTEN "hapsodieen 2,7;
böses musz mit bösem enden;
an dem frevelnden geschlecht
rächet Zeus das gastesrecht,
wägend mit gerechten händen.
SCHILLER 11,392 (siegesfest) ;
es schaun die götter des himmels
wägend und richtend herab, denn dort an den bebenden ufern
wankt seit tagesbeginn ;.. die schlacht. ,
HÖLDERLIN 1,221 Litzmann;
gott aber wog bey sternenklang
der beyden heere krieg,
er wog, und Preussens schaale sank,
und Oestreichs schaale stieg.
GLEIM preusz, kriegsl, 19 (9, 29) neudr.
in mhd. denkmälern findet sich auch ohne bild wägen für *be-
stimmen, anordnen’ (wo vielleicht auch von wegen ‘bewegen’ aus-
jegangen werden könnte):
zwischen in wart ein vride gewegen
unz an den andern tac dan, Dietrichs flucht 9424;
dö wart gewegen alzehant
sehs schar herliche.
Dietleip der ellensriche
was ir aller houptman, 9588;
siner juncherren einen,
dem begund er bescheinen,
wie die sache legen
und wie siz müesten wegen,
ob si solden hin komen.
OrTtToKaAR Österr. reimchr. 81142 Seemüller,
abmessen’? Tyrus mit payden henden wag
ainen kreffltiklichen slag,
ar hett grymkleichen müt;
Jer slag im durch das hirne wüt |
di richte auff die zende, Apollonius xxvi Schröder.
auch zu etwas wägen “bestimmen wo etwas hin gehört, wohin wenden”:
ir ist sö vil, die des nü pflegent,
daz si daz guote ze übele wegent,
laz übele wider ze guote wegent.
G. v, StTrRaszsurG Tristan SO;
{en marschalc man vür senden sol,
der ist ein üz erweiter degen
und kan wol elliu dinc wegen
ze rehte und ze guote, ‚Mui u. Beaflur 209, 28;
28 ist laider darzü chomen:
wä nun pülschafft wird vernomen,
das man es zu dem böszen wigt! HÄrtzLErRIN 2,2, 67,
häufiger mit dem daliv ‘einem etwas zutheilen’: habe rehte maze,
habe rehte wage: so wirt dir got mit der rehten wage wegen,
und wirt dir got geben die rehten wage. Schwabenspiegel landr.
cup. 173, $23 Gengler. auch sonst kann vielfach noch von der
sinnlichen vorstellung des zuwägens von geld u. s. w. (oben sp. 431
unten) ausgegangen werden:
wie wol ich iu des gunde, sprach Rüedegör der degen,
daz ich iu mine gäbe mit vollen solde wegen
alsö willecliche als ich des hete wän! Nibel, 2118, 2,
got unser herre im d6 wac
durch sine heilige demüt
vur gröz ubel gröz güt. passional 139,58 Köpke;
üf daz ir
merket wärlich die geschicht,
daz im mac anders wesen nicht,
wan daz die wilselde uns wiget, 654,1;
3yä waz lobes man dö wac
dem edeln Tirere. HH, v, NEUSTADT Apollonius 12431;
and dö der sırit gewerte gnüc,
zot den sinen hulfe wüc
/on himele vil zeichenlich „..
jo in öt di craft ingöz,
az s£ di viende slügin dan.
N, v. JEROSCHIN 11744 Strehlke,
einem gleich wägen: got ist selbest mensche worden und had
mit ome brocht gerichte und frede; das ist glich gewegen
durch syn blud, glich den armen als den richen. SToLLE
;hronik 115 Thiele. ironisch:
erner:
440
3r sluoc deme meizogen »inen swinden swertes slac
nit beiden sinen henden, der des kindes phlac,
laz im daz houbet schiere vor tische nider lac,
»z was ein jemerlich lön, den er dem meizogen wac,
. Nibvel, 1899, 4;
mit dem kolben er im wac
einen engsilichen slac,
EnIKeEL fürstenbuch 3545 Strauch,
selten in der neueren dichtersprache:
doch sparsam und mit würde wog der fürst
mir jedes wort des beifalls, wie der herr
den diener lobt, der seine pflicht gethan,
SCHILLER 12,326 (\Wallenst. tod 4,2),
wo zugleich die unter 5 besprochene verwendung von wägen in
vetracht kommt;
dasz, wie er es meine,
vor der welt erscheine,
jedem sei sein recht gewägt,
RückERTt ges, ged, 3,397 (1837).
8) verwendungen, bei denen an eine besondere bedeutung von
vage anzuknüpfen ist.
a) wie wage ‘gleichgewicht” ist (oben sp. 357 f.), so kann wägen
im gleichgewicht halten’ sein. die bedeutung läszt sich nicht bis
'ns mhd. zurück verfolgen, wird aber alt sein, obgleich sie theilweise
vuch von ‘das gewicht prüfen” aus gewonnen werden kann (vgl.
at. librare). als nebenbedeutung trilt meist die von “sich hin und
ter bewegen’ hervor; wägen berührt sich hier mit wiegen. die
lexion kann stark sein, aber auch (wegen des gröszeren abslands
’)on wägen in seiner eigentlichen bedeutung) schwach. am häufigsten
'st refl. sich wägen ‘sich hin und her bewegen ohne das gleich-
7ewicht zu verlieren’:
erst über Libanon hielt er (der engel) auff seinen flug,
und auff den Nügeln sich da in den lüfften wug.
D. v. DD, WERDER Yusso, das erlösete Jerusalem 1,14;
an den beyden ufern eilten (auf dem eise) um sie die be-
gleitenden,
und wogen sich leicht auf der schärfe des stahls,
KLOPSTOCK 1,235 (die kunst Tialfs);
auch nicht schwebte die erd’ in rings umgossenen lüften,
wägend sich selbst durch eignes gewicht (pondeı ibus librata suis).
Voss Uvlds verwundiungen 1,2 (1, v. 9);
beim gehen sich in den hüften wägen;
trat dann behutsam
auf den zehn sich wägend, damit nicht knarrte der boden.
Voss Luise 2,265.
zuf geistiges übertragen?
wo söhne von Teut auf söhne von Teut
zum kampfe sich warfen, da gieng es nicht so (wie beim kampf
gegen fremde),
da wog sich der muth, da wog sich die kunst.
Denis lieder Sineds 110;
0 rache, wende nicht im letzten augenblick
die hand von deinem knecht! es wägt sich mein geschick]
(steht auf der kippe),
GötuE 13,20 (jahrmarkt-fest zu llundersw.);
nit leisem gewicht und gegengewicht wägt sich die natur hin
ınd her. 52, xı;
keiner überwinder noch besiegt:
so wäget gleich sich dieser grimme krieg
(so is Ihe equal poise of this fell war).
Shakesp, Heinrich VI., 3. th. 2,5,
unpersönlich (es wiegt ist hier zu wägen zu stellen) vom schwanken
im enischlusz: Käthi hat mir so um die stauden herum ge-
schlagen, dasz ich glauben musz, sie thue mir die kammer
auf, wenn ich komme; und es wiegt mir sich, ob ich gehen
solle. GoTTHeLF UK der knecht (1850) 99. dunn auch mit accusu-
zvischem object ‘im gleichgewicht hin und her bewegen”:
zuletzt ein wenig schüttelnd meine hand,
und dreimal hin und her den kopf so wägend,
holt’ er solch einen bangen tiefen seufzer ,,,
{and Ihrice his head thus wuving up anıl down).
Shakesp. !Humlet 2,135
»gl. auch die oben sp. 432 gegebenen belege, wo zunächst vom ab-
messen der schwere auszugehen ist. auch bei wägen ‘im gleich-
gewicht schwingen‘ (vom gefieder oder dem fluge selbst) spielt diese
bedeutung mit herein:
umsonst von seines staubes hügel
blickt auf der geist, und wägt die Nügel. Voss 5,61;
nie mit schwerem schwung
wägt begeisterung .
brausend ihr gelieder;
leise schwebend, kaum gesehn,
säuselt sie aus lichten hohn
schwanenklang hernieder. 5,2033;
. auch kieselchen oftmals,
30 wie schwankende kähn’ auf schüttelnder woge den ballast,
heben sie (die birnen) auf, und wägen den fug, durch leere
gewölk hin (sese per inania nubila librant).
Virgil 1,281 (Georg, 4, 196).
WÄGEN II 3.