Full text: W - Wegzwitschern (13. Band)

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WAHRHEIT II 11. 
wahrheit haben: es ist also sehr wahrscheinlich, dasz alle 
diese geister ... Nicht mehr wahrheit haben, als die nyınfen, 
liebesgötter und grazien der dichter. WıELAnD 1, 131 (Agathon 
3,3); so gab er nicht allein dieser figur, die blos eine ge- 
lachte wirklichkeit und wahrheit hat, wirkliche existenz, son- 
dern er schuf auch in und für diesen Max ein zweites idol 
erkünstelter natur, und gab auch diesem wirklichkeit und 
leben. GErRvinus gesch, d. d. dichtung* 5, 442; altes lieben, altes 
leben — ausgelöscht, verschüttet und begraben; sie haben 
nur noch wahrheit in der dichtung. ConraD gelüflele masken 6. 
in wahrheit, “in wirklıchkeit‘ s. oben sp. 868. 
c) verwandt ist es, wenn wahrheit für berechtigung und be- 
gründung des daseins steht oder für etwas, dessen dasein begründel 
und berechtigt ist, im yeyensalz zu dem blosz äuszerlichen, schein- 
baren, nichligen (ähnlich innere wahrheit, s. oben 8, c). diesen ge- 
Lrauch kennt schon die sprache der mysliker: der mensche, der alsö 
allin dinc geläzen hät an dem nidersten unde da sie teetlich 
sint, der nimt sie wider in gote, dä sie wärheit sint. mysliker 
2, 233, 10 (meister EcruarRt). ähnliches in der neueren philosophischen 
sprache? in der sehnsucht der liebe nach dem entfernten 
zgegenstand bekräftigt der abstracte idealist wider willen die 
wahrheit der sinnlichkeit, L. FEuERBACH wesen des chrislien- 
Ihums® 84; im schmerze verneint der mensch die wahrheil 
der welt; alle dinge, welche die phantasie des künstlers und 
die vernunft des denkers bezaubern, verlieren ihren reiz, 
ihre macht für ihn; er versinkt in sich selbst, in sein ge- 
müth. 255; eine principielle überzeugung von jener frage 
(nach dem all) ist dem lebensprozesse für seine eigne 
kraft und wahrheit unentbehrlich. Eucken wahrheitsgehalt der 
religion 127; besteht keine überwelt, so bricht das geistes- 
leben in sich zusammen, 80 verliert es seine eigne wahr- 
heit, so wird es mit allem, was ihm charakteristisch ist, 
eine leere illusion. 137. 
eine wahrheit in diesem sinne: wie‘wässerig', wie trivial! (wird 
man einwenden). ja wohl, sehr trivial. aber eine sehr triviale 
wahrheit war seiner zeit auch der ehestand, welchen Luther .. 
der scheinheiligen illusion des ehelosen standes entgegen- 
setzte. L. FEuERSACH wesen des christenthums? 18; nur da, wo 
dem gebete eine macht .. zugeschrieben wird, ist noch das 
gebet eine religiöse wahrheit. 179; so lange das wahre, un- 
geheuchelte christenthum existierte, so lange das christen- 
!hum eine lebendige, praktische wahrheit war, so lange ge- 
schahen wirkliche wunder. 188; bei dieser (secle der christen) 
war die lehre eine praktische wahrheit: in den gemeinden 
gab es keinen unterschied der stände mehr. v. SyBEL kleine 
histor. schriften? 1, 13. 
11) in einem gewissen gegensalz zu der im vorigen abschnilt 
behandelten entwicklung des wortes steht es, wenn wahrheit die 
bedeutung von ‘wahrhufligkeit' annimmi. der nachdruck wird dann 
auf die getreue widerspieyelung des wirklichen sachverhalts durch 
die rede gelegt, die auf die anluge und neigung des menschen, 
die wahrheit zu reden, zurückgeführt wird, die bedeutung ‘wahr- 
haftigkeit im reden’ zeigt sich auch zu ‘aufrichtigkeit, zuverlässig- 
keit, treue’ erweitert. am deullichsten ist die bedeutung im mhd 
ausgeprägt, während sie sich im nhd. nur wenig von der gewöhn- 
lichen bedeutung des wortes abhebt, 
a) in den wörlerbüchern wird nicht überall auf die bedeutung 
rücksicht genommen? DIEFENBACH gl. 611° veracilas, warheit, wair- 
heit, worheit; warheit, veracitas. MAALER 464°; die wahrheit, 
candor, sincerilas, probilas. STIELER 2414; warheit, warhafftig- 
keit, verila 0 veracita. Krämer 1209°; man kan sich zu ihm 
keiner wahrheit versehen, Ihere fs no truth, or veracity, in him. 
LuDwısc 2369; in der tugendlehre ist die wahrheit eine tugend, 
nach welcher der mensch öäusserlich redet und thut, wie er 
innerlich ,. gedencket und meinet .. sie .. begreift die wahr- 
hafftigkeit des mundes, die einfalt der lauterkeit des hertzens, 
und die redlichkeit des thuns und wandels. JABLONSKI (1748) 
1321°. ADELUNG erwähnt wahrheit als ‘die ferligkeit in allen fällen 
nur das wahr ist zu reden’, erklärt aber wahrhalftigkeit als das 
zewöhnlichere, 
b) im mhd, erscheint das wort häufig, wohl nicht ohne einflusz 
des entsprechenden lat. veritas, oft auch in der erweiterten bedeu- 
'ung ‘aufrichlige, zuverlässige gesinnung’; beliebt [ist die verbin- 
lung wärheit und triuwe: 
A si (die bischöfe) soltin leri di kristinheit 
trüwi undi wärheit, 
mid werchin irvullin 
daz si demo 1üti vori zellin, 
Lob Salomonis 234 Waag; 
WAHRHEIT II 11. 
an den sö volleclichen schein 
diu triuwe und diu wärheit, 
daz ir wort was ein eit, | 
HartM, v. AUB Gregorius 3169 Paul $ 
der reine got vil üz erlesen, 
der triuwe sich versinnet 
und höhe wärheit minnet. 
K, v., Wüörzsung Engelhard 5446; 
er was ein trost den vründen sin, 
demutik und wol gezogen ... 
an wärheit er sich vienden liez, 
livländ, vreimchron, 8168 Meyer; 
es ist Friburg und Berne, 
als es sich noch befint, 
die kan nieman gescheiden 
mit warheit under in beiden, 
das wiszent jemer me. , 
LILIENCRON hist, volksl, 1,3,75 
kunig von Frankreich fiel in ain schwere krankhait, | 
ja ward fürgenomen stil mit trewen vieisz und warhait 
ım auf das höchst zu warten trachtend nach seinem gesund, 
lied auf könig Franz von Frankreich in Wagners 
archiv 1,174; 
bei dem widhopfen versten ich ainen jeglichen menschen ‚., 
der ainez in dem herzen hät und redt ain anderz mit dem 
nund ... pfui dich, dü Schanden ritter, dü seist lai oder 
pfalf, wie tregst du der &ren krön in valschait An manleichz 
herze und än alle wärhait! K, v. MEGENBERG 228, 36; SO wil 
3° (gott) ouch, daz wir einander wirde und ere erbieten, 
riuwe und warheit, niht hazz und nit gein einander tragen. 
Schwabenspiegel 1, 2 Gengler; treüw und warheit söllent ir zu 
allen lüten haben, on argen list. leben Tauleri in dessen 
predigen (Basel 1521) b 5°. 
die wahrheit behalten, brechen, verlieren (das vertrauen 
inbü ?): va N x 
einbüszen?): „an si frägte, sö man giht, 
war umbe er hate nahtes hin 
beide zwischen si unt in 
sin schwert geleit blöz unde bar, 
hier an sö wart er wol gewar, 
daz Dieterich der stwite 
an im behalten hiete 
gesellecliche wärheit. 
K, v. WürzsurG Engelhard 5099; 
daz niemen triuwe brache an in 
und innecliche wärheit. 115; 
wes sal ich dir getrüwen me? 
1ü häst die wärhei, verlorn. 
mir wart genzlich bi dir gesworn, 
loch ist der schade mir widervarn, 
ich wil mich immer ıne bewarn, 
dag ich nicht achte üf dinen eit. 
passional 20,8 Köpke, 
treue und wahrheit halten, leisten erscheint namentlich als 
Feste formel im huldigungseid der unterthanen: von erst hänt 
die lechenlüt gesworen gantz trüw und warheit zehaltend deın 
zotzhus und allen iren personen. weisth. 4, 9 (Elsasz 14. jahrh.); 
lie undergänger sollen geloben und schwören, uns, und der 
;tadt .. trew und warbeit zu halten, ihren nutz und frommen 
zu fördern. würtemb. revid. bawordnung (1654) 8; und sollen 
uch in sweren, trew und warhait ze laisten, und ouch zu 
Jinen mit leib und mit gut. quelle des 14. jahrh. bei Scugerz- 
DBERLIN 1942; ain amptinan sol schweren aim herren und 
vogt trüw und warhait ze laisten und das ampt zuo ver- 
sechen nach nutz und er ains vogtherren und ouch der nach- 
puren, weisth, 5, 159 (S. Gallen 1465). an stelle dieser verbindungen 
ıuch nur treue und wahrheit schwören: 
si (die kurfürsten) swerend dem küng trüw und warhait; 
taetend si das, das wer in laid, 
des leufels nelz 7508 Barack; 
li (der pfarrer) sal umi dan di heligen habi, daz he uf ge- 
;veri sal mi richi hulde unde din burgerin truwe unde war- 
ı1eit duse stad zu bihaldine svo he immir allirmeist kan. 
„AMBERT rafhsgeselzgebung der st. Mühlhausen 177 (1256); dar- 
1ach schwerent alle die, so ob vierzehen jaren sind, dem- 
;elben unserm gnadigen herrn und gemeinem land treuw 
ınd warheit, iren nutz und fromen zue fürdern, iren schaden 
zue wenden und den einung, so harnach geschriben stat, zue 
aalten. weisth. 5, 225 (Schwarzwald 1454), 
ß) wahrheit hat als ‘wahrhafligkeit, aufrichtige gesinnung’ gern 
dus possessivpronomen bei sich: 
und twang in des sin wärheit, 
daz ers doch niht verdagte, 
wan daz er rehie sagte 
sin schämelichez mare, 
wiez im ergangen ware, 
Hantm, v, AUB Erec 4537, 
892 
893 
sein 
setzen 
di 
ze hel 
groten 
hrave. 
heltst 
gott, 
nimm« 
nassto? 
auf 
heit
	        
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