1176 Steinkohlenteerfarbstoff-Ausgangs- und Zwischenprodukte.
die Formeln leicht ableiten kann. Die Teerfarbstoffzwischenprodukte sind aromatisch-organische
Verbindungen, die sich vom Benzol, Naphthalin, Anthracen und anderen Teerkohlenwasserstoffen,
auch von Stickstoff und Schwefel enthaltenden Ringgebilden, allein oder kombiniert mit Fünfringen,
durch Eintritt verschiedener Substituenten ableiten. Diese können Atome (Halogen) oder
Radikale sein, d.s. meist einwertige, als solche nicht beständige Atomgruppen, Reste des Methans,
Ammoniaks, Wassers und Schwefelwasserstoffs, und zwar:
Methan: CH, —: -CH,(Methyl), -C,H;(Äthyl) ...... Alkyl
-CH,. X, z. B. -CH,-Cl(Chloralkyl)
-CH:X,, z. B. -CHO(Aldehyd)
-G: X;, z. B. -CN(Nitril), -COOH(Carboxyl)
-NH,(Amino), -NO(Nitroso), -NO, (Nitro), -N,-(Azo),
-NH-NH-(Hydrazo)
= ——>: -OH(Hydroxyl)
„3 ———: -SH(Sulfhydryl, Sulfid oder Mercapto), -SO,(Sulfon),
—SO,.H(Sulfinsäure), -SO,H(Sulfosäure), -S,-(Disulfid).
Die Einführung und Eliminierung dieser Reste (auch der Halogenatome Cl, Br, J), ihre Umwandlung,
Verkettung und weitere Substituierung ist die Aufgabe der Zwischenproduktchemie, die sich ihrer-
seits der Arbeitsmethoden der organischen Chemie bedient. Diese lassen sich für den vorliegenden
Zweck in zwei Gruppen unterteilen: 1. Verfahren, die allgemein auf Rohstoffe wie auf Zwischen-
produkte anwendbar sind: Halogenisierung, Nitrierung, Sulfurierung (Sulfierung oder Sulfonierung).
2. Verfahren, die nur auf Körper mit Seitenketten angewandt werden können und ausschließlich
zur Weiterverarbeitung von Vor- und Zwischenprodukten dienen. Es sind dies z. B. die Methoden
der Amidierung (Reduktion von Nitroverbindungen), Diazotierung, Alkylierung, die Alkali-
schmelze usw.
Im Sinne dieser Unterscheidung kann man die Rohstoffe der Teerdestillation, die heute
im Gegensatz zu früheren Zeiten mit Hilfe genau eingearbeiteter Destillations- und Separierungs-
verfahren in hoher Reinheit geliefert werden, relativ scharf abgrenzen von den durch Halogeni-
sierung, Nitrierung und Sulfurierung erhaltbaren Vorprodukten und diese von den durch ihre
Weiterverarbeitung darstellbaren Zwischenprodukten. Diese sind jedoch z. T. schon Farbstoffe,
und andererseits sind Teerfarbstoffe, wie z. B. die Indophenole häufig Zwischenprodukte zum Auf-
bau anderer Farbstoffe, so daß hier eine zuverlässige Scheidung nicht immer möglich ist. Dies
wird besonders dann ersichtlich, wenn ein Rohprodukt der Teerdestillation durch bloße Einführung
salzbildender Gruppen (-OH; -NH, u. a., vgl. Teerfarbstoffe 1) direkt zum Farbstoff wird (z. B.
Pikrinsäure aus Phenol), der seinerseits ein Zwischenprodukt (im Falle der Pikrinsäure z.B. für
Schwefelfarbstoffe) darstellt.
T
1. Halogenisierung.
a) Substitution von Wasserstoff durch Halogen. — Schema:
C;H;.H + Cl; = C;,H,Cl + HCL Bei dieser Art der Halogenisierung wird demnach Halogen-
wasserstoff frei... Das wichtigste und billigste Halogen ist das Chlor, das in Bomben verflüssigt
in den Handel kommt und direkt in die Lösung des zu chlorierenden Körpers oder, wenn er flüssig
ist wie Benzol, in dieses eingeleitet wird. Bromiert und jodiert werden meist nur Farbstoffe
(Eosine, Küpenfarbstoffe), um ihre Töne zu verändern oder ihre Echtheiten zu verbessern, Fluor
kommt überhaupt nicht in Betracht. Man chloriert Kohlenwasserstoffe oder Zwischenprodukte mit
Seitenketten, um Orte im Molekül zu schaffen, die wegen der leichten Austauschbarkeit der Halogen-
atome gegen andere Reste als Verankerungspunkte für neu eintretende Substituenten dienen, und
zwar arbeitet man in der Kälte, oder man erhitzt, setzt auch eventl. Kontaktsubstanzen (besonders
Jod, Eisensalze u. dgl.) zu, oder bestrahlt die zu chlorierende Lösung mit ultraviolettem Licht,
um den Eintritt des Halogens zu erzwingen. Im aktiven Lichte der Uviollampen kann man so
beispielsweise Benzol bis zum Hexachlorbenzol chlorieren. Die Arbeitsbedingungen sind jedenfalls
bei dieser einfachen Operation wie auch bei allen Methoden der Zwischenproduktchemie ausschlag-
gebend für das Resultat, im vorliegenden Falle, ob ein oder mehrere Chloratome, ob sie in den Kern
oder in die Seitenkette eintreten, ob das Chlor Nebenreaktionen hervorruft, die gegebenenfalls
mit Absicht herbeigeführt werden, usw.
Die technische Chlorierung wird in Glas- oder Steinzeugapparaten ausgeführt, auch
sämtliche Rohrleitungen und Rühreinrichtungen müssen aus keramischem Material sein, da kein
Metall die nötige Beständigkeit gegen Chlor und die beim Chlorieren freiwerdende Salzsäure besitzt.
Da Chlor das spez. schwerste gasförmige Element ist, chloriert man meistens auf einer Wage und
beendet das Einleiten des Chlors, wenn pro Kilogrammolekül die Gewichtszunahme 35,5 kg oder ein
Mehrfaches dieser Zahl (bei Einführung mehrerer Chloratome) beträgt. 78 Tl. Benzol geben mit
rund 35,5 Tl. Chlor, 113,5 Gewichtsteile Mono-, 149 Tl. Dichlorbenzol usw. Auf dem Wege der