der Tradition empfing dieser letzte Baumeister großer Anlage einen siche-
ren Sinn für die richtigen Maße und für die schönen Verhältnisse. Seine
Kunst hatte in jeder Weise Haltung.
Würde nun ausführlich von den Schinkelschülern im weiteren Sinne
gesprochen, so müßte das Schwergewicht der Darstellung ungerecht zu-
gunsten der Berliner Baukunst und zugunsten einer an sich sekundären
Kunstbewegung verlegt werden. Architekten wie FRIEDRICH AUGUST
STÜLER, der Erbauer des Neuen Museums, der Kapellenkuppel des Berliner
Schlosses und vieler frühchristlichstilisierter Kirchen, wie JOHANN HEINRICH
STRACK, der die Nationalgalerie vollendet hat, wie LUDWIG PERSIUS und
LUDWIG FERDINAND Hesse, die beide mit Erfolg in Potsdam tätig waren,
wie CARL FERDINAND Busse, der Pläne für die Universität in Halle zeich-
nete und in seinem Moabiter Zellengefängnis gezeigt hat, wie selbst solche
Aufgaben künstlerisch gelöst werden können, wie HITzIG (Börse und
Reichsbank), WAESEMANN (Rathaus), ORTH (Palais Strousberg) und so
weiter waren gute Vertreter des Berliner Klassizismus und des beginnen-
den Renaissanceismus. Doch stehen sie eigentlich nicht mehr auf dem
Boden einer Kultur, sondern schon auf dem der modernen Zivilisation —
und müssen die Folgen tragen.
In München vollendeten zwei Architekten wetteifernd das Stadtbild:
LEO von KLENZE (1784 — 1864) und FRIEDRICH VON GÄRTNER (1792 bis
1847). Voran ging ihnen KARL VON FISCHER (1782-1820), ein Jung Ge-
storbener, den man den Münchner Gilly nennen könnte. Das Hauptwerk
des auf der Wiener Akademie Gebildeten ist das Prinz-Karl-Palais am Eng-
lischen Garten in München, dem noch sinnliche barocke Elemente eigen
sind. Der jung bereits zum Oberbaurat Ernannte hat auch das Hoftheater
errichtet, das später von Klenze erneuert wurde; auch gehen Bauten in der
Briennerstraße auf ihn zurück.
Klenze, der geborene Hannoveraner, war ein Schulklassizist orthodoxer
Art. Er war von 1808 bis 1813 Hofarchitekt von Jeröme in Kassel, kam 1815
nach München und bekleidete dort von 1816 bis 1864 das Amt eines Hof-
architekten. Viele Reisen führten ihn nach Frankreich, Italien und Grie-
chenland. In Italien — er hatte eine Italienerin geheiratet — ist er vierund-
zwanzigmal gewesen. Klenze war ein sehr gebildeter Architekt, neben sei-
ner Baumeistertätigkeit malte er und war auch Verfasser archäologischer
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