Full text: Deutsche Münzreform und die Edelmetallbewegung während der Jahre 1871 - 1875

J. Abschnitt. 
Die Entwicklung der Edelmetallbewegung und der Umlaufsmittel 
in Deutschland von 1871 bis einschl. 1875. 
Sbie während des deutsch-französischen Krieges in den Hintergrund gedrängten wirth— 
schaft lichen Interessen mußten nach Beendiguug desselben mit erneuter Energie zu Tage treten. 
Und unter diesen Interessen nahmen die, welche unsere Tausch- und Circulationsmittel betrafen, 
die hervorragendste Stelle ein. Lange schon zeigte unser Wirthschaftsorganismus auf diesem 
Gebiete krankhafte Zustände — eine Folge deutscher Zerrissenheit und Ohnmächtigkeit — und erst 
der deutschen Reichsregierung wurde die Aufgabe zu Theil, Hand anzulegen und mit Radical— 
Mitteln dieses chronische Uebel zu beseitigen. 
Das provisorische Münzgesetz vom 4. Dezember 1871 leitete zuerst den Uebergang zur 
Goldwährung ein und hob die weitere Silberausprägung auf. Die endgültige Reform erfolgte 
durch Reichsgesetz vom 9. Juli 1873; damit war die Silberwährung im deutschen Reiche gesetzlich 
zu Grabe getragen und Deutschland trat in die Gruppe der Goldwährungsländer ein. 
Die Maßnahmen zur Durchführung der Münz- und Währungseinheit begannen mit 
Ausprägung von Goldmünzen des neuen Systems. Der Edelmetallmarkt wurde von diesen 
Vorgängen bald empfindlich berührt. Deutschland trat nun einerseits als Goldconsument auf, 
anderseits warf es sein entbehrlich gewordenes Silber auf den Markt. Auch der nach dem Kriege 
erfolgte Aufschwung unserer wirthschaftlichen Gesammtthätigkeit, sowie die gleichzeitig erfolgte 
Zahlung und Uebertragung der französischen Kriegsentschädigung konnte nicht ohne tiefgreifende 
Folgen für den Geldmarkt bleiben. Durch den Ausbruch einer Geld- und Handelskrise wurde 
das Gleichgewicht der in unserem wirthschaftlichen Leben thätigen Faktoren nach der anderen 
Seite gestört, und als nach Beendigung der franzöfischen Kriegsentschädigungszahlungen die 
Wechselkurse im August 1874 zu Ungunsten Deutschlands umschlugen und auf dem Londoner 
Silbermarkt der Preis des Silbers um einige Procente gesunken war, begann die Arbitrage ihr 
Augenmerk auf die bereits in großer Anzahl in Verkehr gesetzten neuen Goldmünzen zu lenken. 
Die Differenz zwischen dem Gold- und Silberpreise war bereits derart, daß nach kaufmännischen 
Grundsätzen im Austausch von Silber gegen Gold ein Gewinn zu erzielen war. Die 
Reichsgoldmünzen begannen zu verschwinden, Silber ersetzte im Verkehr die Lücken und das 
Gold wurde ausgeführt. Diese Erscheinung dauerte mit zeitweiligen Unterbrechungen bis zur 
Mitte des Jahres 1875 fort. Indessen war Silber in weiterem Rückgang begriffen; es stand 
eine Umwälzung der Edelmetallpreise bevor, wie sie seit der Erschließung der älteren Silberminen
	        
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