Full text: Der Marineoffizier

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deren „Braut“ das Schiff war. Diesen konnte man Urlaub geben, 
sie kamen von selbst zurück. Daneben war aber ein Teil der 
Mannschaft nur gezwungen an Bord. Das waren die durch Preß— 
gang gewaltsam an Bord gebrachten. Diese konnte man nicht in 
jedem neutralen Hafen an Land lassen — sie wären meistens nicht 
wieder zurückgekommen. Nur in Häfen der eigenen Nation konnte 
man dies riskieren. Dazu kam noch, daß das alte Segelschiff immer 
eine große Zahl von Menschenkräften nötig hatte, um in der Gewalt 
des Kommandierenden zu bleiben. Auch zu Anker liegend, konnten 
beim Brechen von Ketten, beim Treiben, Lagen eintreten, wo nur 
Anspannung aller Kräfte Unheil verhüten konnte. Der Urlaub 
schränkte sich dadurch von selbst ein. Nur in ganz sicheren Häfen 
konnte er einem großen Teil der Besatzung erteilt werden. Hier auf 
unserer Reede von Funchal würde er schwerlich gegeben worden sein. 
Für ein Segelschiff ist kein günstiger Ankergrund hier vorhanden. 
Man muß in tiefem Wasser ankern und sofort in See gehen, wenn 
starker auflandiger Wind eintritt. Der Dampf hat alle diese 
Gefahren vermindert. Er ersetzt die Menschenkraft und die Takelage. 
A 
und Gewohnheiten halten sich aber oft unendlich lange, selbst wenn 
ihre Grundbedingungen längst geschwunden sind. 
So gab es viele alte Segelschiffskapitäne, die sich trotz der 
Maschine nicht daran gewöhnen konnten, ihre „Familie von Offizieren 
und Mannschaften“ an Bord zu miffen. Es kam vor, daß einzelne 
geradezu beleidigt thaten, wenn sie um Urlaub angegangen. wurden. 
Sie selbst waren in ihren jungen Jahren zuerst wenig an Land 
gelassen worden; dann war dies Gewohnheit geworden. „Es ist 
doch überall dasselbe!“ Diese Redensart haben wir oft genug gehöct. 
Wir können sie nicht genug verdammen, denn heute bezeichnet man 
die Gewohnheit, das Land zu meiden, ganz richtig mit dem Namen: 
„stumpfsinnige Faulheit“. Die Welt bietet keineswegs immer dasselbe. 
Die Natur zeigt überall im Wechsel hohen Reiz. Den Sinn dafür 
soll sich jeder Offizier wach erhalten. In alter Zeit sagte man: 
„Der erste Offizier“, der gewissermaßen als zweiter Kommandant 
fungiert, „geht nur mit dem Großmast an Land!“ Also wenn von
	        
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