Full text: Der Marineoffizier

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giebt es nicht. Auch unseren Seekadetten geht es so, die Messe in 
der Batterie, in der sie leben, ist nur ein Haus im Dorf. Seit der 
Einschiffung haben sie in diesem Messe-Haus gewohnt, stets in engster 
Berührung miteinander. Gleiches Ziel, gleiches Los verbindet sie 
alle und bringt den Menschen auch außer Dienst dem Menschen 
nah. Da treten im kameradschaftlichen Leben einzelne vor, andere 
wieder zurück. Von Temperament sind sie alle verschieden — aus 
dem Temperament soll sich der Charakter des Mannes bilden. Die 
Kameradschaft und das Leben in der Messe sind hierfür die erste 
öffentliche Schule. Manche der jungen Kadetten stimmen gut 
überein. Es sind oft Landsleute aus denselben Provinzen und sie 
finden sich schnell zusammen. Andere bleiben einander fürs erste 
rremder und ferner, wie ihre Geburtsstätten. Auch führen Neigungen 
und Gewohnheiten sehr häufig schnell zusammen. Vor 30 Jahren 
hieß es, wie wir uns erinnern, an Bord der alten Niobe in jedem 
Jahre: „Backbord-Wache der Seekadetten ist die gemütliche, Steuer— 
hord-Wache die feine und nobele!“ das mag aus zufälligem 
Zusammenfinden entstanden sein, immerhin giebt es einen Schlüssel 
für das Bild des Lebens in der Kadettenmesse. Der junge Mensch, 
der in diese Messe, in diese Schule hineinkommt, bringt in seinem 
Inneren, in seinem Seelenleben, zwei Dinge mit, die von Entscheidung 
sind: sein Temperament und die Eindrücke seines Elternhauses. 
Bei Ausbildung des Charakters stellt jedes dieser beiden eine Kraft 
dar, die hemmend oder treibend wirken kann. 
Die Größe einer derartigen Kraft ist aber oft unberechenbar. 
Abschweifend von unserem eigentlichen Thema wollen wir hier nur 
eine solche Kraft in ihrer ganzen Macht als Beispiel anführen: 
Den Aberglauben! Unglückliche Weissagungen, Vorahnungen haben 
hemmend auf die tüchtigsten Feldherren und Heere eingewirkt. Treibend 
wirkte dagegen das Erscheinen der Jungfrau von Orleans auf das 
französische Heer seiner Zeit. Selbst in allerneuester Zeit tritt der 
Kultus der Gottgesandten, der Helferin im Kampf, des Mädchens 
don Orleaus, wieder hervor. Daneben bereitet sich, wie uns scheint, 
twas anderes vor. In der Notre Dame zu Paris hörten wir 
einen berühmten Kanzelredner darüber klagen, daß während der
	        
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