Die Flotte blieb im Anfang klein und wuchs nur sehr langsam
heran. Jene, vom ersten Reichskanzler so trefflich geschilderte Stimmung
unseres Volkes schien nach Erfüllung des sehnsüchtigen Wunsches nach
Einheit vergessen zu sein. Doch es schien nur so: „sie war unver—
gessen, wohl aber zurückgedrängt, um im Verborgenen weiterzu—
schlummern.“ Es fehlte nur der Weckruf, welcher in der Masse
diese Stimmung aus dem Schlaf rütteln konnte, welcher die Nation
an ihre weltgeschichtliche Mission erinnerte und das Mahnwort aus—
sprach, daß eine starke Flotte hierzu dringend erforderlich sei. Da
fielen jene bedeutungsvollen Worte unseres nach Hohenzollern-Tradition
von hoher Warte aus weit in die Zukunft schauenden Kaisers
Wilhelm II., als zu Hamburg am 18. Oktober 1899 auf seinen
Befehl und in seiner Gegenwart das neue Linienschiff „Kaiser Karl
der Große“ getauft war: „Bitter not ist uns eine starke deutsche
Flotte!“ Wie ein heller Blitzstrahl schlugen diese Worte in die
Herzen und Sinne des ganzen deutschen Volkes.
Gleich seinem Ahnherrn, dem großen Kurfürsten Friedrich
Wilhelm, hat auch unser Kaiser Wilhelm II. mit scharfem Auge er—
kannt, was uns not thut, um die durch die glänzenden Kriegsthaten
unseres deutschen Volkes in Waffen geschaffene Stellung unter den
Großmächten der Welt zu erhalten. Die Reichsgewalt muß not—
wendig auch als Seegewalt auftreten, nicht weil der Ehrgeiz dazu
drängt, sondern weil die ganze Lage von Seehandel, Export- und
Import-Industrie dazu treiben. Der eine, noch schwache Arm unserer
Wehrkraft muß so gestärkt werden, daß er „schützen“ kann, daß er
Freund und Feind die Achtung einflößt, ohne welche eine für unsere
Stellung im Konzert der Mächte notwendige Beteiligung an Fragen
weltgeschichtlicher Verwickelungen nicht denkbar ist. Mehr und mehr
spielen diese Fragen aber nicht mehr auf kontinentalem Boden sich
ab, sondern auf See und über See.
Der rote brandenburgische Adler mußte seiner Zeit ermattet
seinen stolzen Flug auf den weiten, freien Ozean hinaus aufgeben —
ruhmreich genug war derselbe in seiner kurzen Dauer gewesen! Es
war noch zu früh! Wohl hatte Friedrich Wilhelm auch die dringende
Not erkannt, aber die politischen Verhältnisse des damaligen deutschen