Full text: Der Marineoffizier

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gebenen, dann wirkt seine mündliche Zurechtweisung oft mehr wie 
eine Arreststrafe. 
Was das Vertrauen anbetrifft, so zeigt sich hier von jeher eine 
ganz seltsame Erscheinung. Der Vorgesetzte kann sich geben, wie er 
will. Er kann poltern und wettern, er kann freundlich ermahnen, 
er kann mit wenigen scharfen Worten zwischenfahren: der Matrose, 
der einfache Soldat, fühlt immer wahres Wohlwollen, wirklich teil— 
nahmvolles Herz für den Untergebenen heraus. In Heer und 
Flotte ist deshalb zu unserem Heil das eine Gefühl bei allen 
Offizieren großgezogen, schon seit Dezennien und Generationen, 
welches die Thätigkeit des Vorgesetzten stets auf „die Sorge für die 
Untergebenen“ hinlenkt. Der Vorgesetzte denkt sich in den Unter— 
gebenen herein, denkt und sorgt dann für ihn, solange das Dienst— 
verhältnis dauert. Aber selbst, wenn beide Teile längst den Rock 
des Kaisers ausgezogen haben, dann bleibt dies Gefühl noch lebendig. 
Wo ein alter, außer Dienst befindlicher Offizier für einen ehemaligen 
Unteroffizier oder Matrosen eintreten kann, wo er ihn versorgen 
cann, da thut er es mit Freuden. 
Die Zeit rollt eilenden Flugs dahin, sie zerstört das Jugendliche, 
läßt die Menschen altern. Gute Kameradschaft und erworbenes Ver— 
trauen, fest eingewurzeltes Pflichtgefühl kann sie nimmer rosten machen. 
Im Rettungsboot. 
Der große Kreuzer befindet sich in der Nordsee draußen auf 
Rekognoszierungsfahrt, weit hinter ihm liegt das Geschwader in 
Marschformation, mit ganz langsamer Fahrt dahindampfend. Um 
so schneller saust unser Kreuzer dahin. Es ist früh morgens. Die 
Sonne ist aufgegangen und hinter bleigrauem Gewölk verschwunden, 
aur ein blaßroter Streifen über dem Horizont hat ihr Auftauchen 
angezeigt. Graue Wogen ringsum, wie in einem Kessel wallend, 
quirlend, rauschend und mit dumpfem Schlag zusammen- und über— 
einander brechend. Trübe und undurchsichtige Luft, Wind und 
Sprühregen. Es ist Sonnabend früh, und das „rein Schiff“ machen 
hat begonnen. — Schriller Möwenruf, pfeifender Wind und rastloser 
Kampf der Schiffsschrauben im Wasser.
	        
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