In der Ausbildungsweise bis zur Beförderung zum Ober—
leutnant zur See wurde nichts geändert.
1871 war aus der norddeutschen Marine mit der Gründung
des Reiches die kaiserlich deutsche Marine geworden. Der Er—
ziehungsgang zum jungen Offizier wurde zuerst etwas anders
gestaltet. Die erste Einschiffung an Bord des Kadetten-Schulschiffes
„Niobe“, unmittelbar nach der Einstellung als Kadett dauerte nur
ein halbes Jahr, das Sommerhalbjahr. Während dieses Zeitraumes
wurden zuerst Kreuzfahrten in der Ostsee unternommen, denen sich
schließlich eine für etwa 2—3 Monate berechnete Auslandsreise nach
England, Schottland und Norwegen anschloß. Den Winter ver—
hrachte der Kadett am Lande, besuchte die Marineschule zu Kiel und
legte im Frühjahr die Kadettenprüfung ab. Die darauf folgenden
Sommermonate wurden die Seekadetten alsdann auf die Schiffe des
bungsgeschwaders verteilt, und im Herbst kamen sie dann wieder
zusammen an Bord eines Seekadetten-Schulschiffes. Für gewöhnlich
machte dieses eine zweijährige Reise um die Welt.
Unmittelbar nach der Rückkehr in die Heimat mußte die
sogenannte „erste Seeoffizier-Prüfung“ vor einer Kommission der
Marine-Schule abgelegt werden. Nach Bestehen derselben, nach
erfolgter Wahl, wurde der Seekadett alsdann zum „Unterleutnant
zur See ohne Patent“ befördert. Als Offiziere, nicht mehr als
Seekadetten wie früher, wurden sie dann zum letzten Besuch der
Marineschule kommandiert.
Nach etwa einjährigem Besuch der Schule war dann das letzte
Eramen, die Seeoffizier-Prüfung, abzulegen. Nach bestandenem
Examen erfolgte die Patentierung durch Cabinets-Ordre.
Einen ähnlichen Gang findet man bei den jungen Offizieren
des Ingenieurkorps und der Artillerie in der Armee.
Trotz vieler Bedenken, die aus dem älteren Seeoffizierkorps
gegen diese geschilderte Ausbildung geltend gemacht worden sind,
hat sich dieselbe sehr lange erhalten, und erst in der neuesten Zeit
hat sie wieder die Grundsätze aufgenommen, welche von 1866 —1872
maßgebend waren: Die Kadetten genießen im ersten Jahre gemeinschaft⸗
liche Ausbildung auf dem Kadetten-Schulschiff, resp. auf mehreren
Kohlhauer: Der Marineoffizier. J