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war die taktische Formation, auf lange Erfahrung begründet, welche
Jahrhunderte lang als Gefechtsformation sich erhalten hat — alle
großen Seeschlachten auf offener See, nicht zu Anker, wurden so
eingeleitet. Den Anforderungen, welche man an die Formation einer
Dampfflotte zu stellen glaubte, genügte sie nicht mehr. Es entstanden
Doppelformationen, die für die Taktik viel Bestechendes hatten.
Auch die Einführung neuer Waffen hatte großen Einfluß auf die
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Ramme und wollte als vornehmste Waffe gelten, die Artillerie
sollte in den Hintergrund treten. Die Anwendung der Ramme
wurde zum Mittelpunkt der Taktik. Die Ramme wurde bald durch
Einführung der Torpedowaffe auch an Bord der Panzerschiffe von
ihrem Platz verdrängt und erschien nun diese im Mittelpunkt.
Die Kriegserfahrung mangelte gänzlich. Aber ganz allmählich hat
sich nun doch die Erkenntnis Bahn gebrochen, daß ebenso, wie zu
Zeiten der Segelschiffahrt auch heute noch die Artillerie die Haupt—
wafse, Ramme und Torpedo nur Gelegenheitswaffen sind. Damit
war man naturgemäß wieder auf die Linientaktik der Segelschiffe
zurückgekommen und man knübpfte thatsächlich über den Zeitraum
eines langen Seefriedens mit seinen riesigen technischen Umwälzungen
und seinen zahlreichen taktischen Spekulationen hinweg wieder an die
Zeit an, wo die Marinen geklärte Kriegserfahrungen hatten. So
war es erklärlich, daß man zur Bezeichnung des Schlachtschiffes,
welches in der nun als taktische Grundformation wiederhergestellten,
„Linie/ seine Verwendung finden sollte, auch wieder den Namen
„Linienschiff“ einführte.
Das einzelne Linienschiff, als Repräsentant der Kampfkraft,
muß so stark wie möglich gemacht werden, damit an keiner Stelle
der Schlachtlinie eine Schwächung entsteht, ganz ebenso, wie man
bei der Segelschiffslinie auch nur ungern Schiffe von weniger als
80 Kanonen einstellte.
Alle Verhältnisse berücksichtigt, wird ein Linienschiff, das weniger
als 8000 Tonnen Wasserverdrängung hat, für den Kampf in der
Linie nicht genügen. Die neuen Linienschiffe unserer Marine haben
eine Wasserverdrängung von 10000 und 11000 Tonnen.