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abwechselnd beurlaubt. Der „Usedom“ bringt die Zurückgehenden
und holt die Beurlaubten. Auch bringt er Proviant und Nachrichten
von den Familien — kein Wunder, wenn an dem fälligen Datum
scharf nach ihm ausgespäht wird! Er hat heute guten Wind, um
8 Uhr müßte er hier sein; denn so und soviel Seemeilen macht er
pro Stunde, so wird gerechnet auf dem Adlergrund. Wind und
See machen oft genug einen Strich durch die Rechnung, heute aber
stimmt sie — bringt doch der alte Usedom schlingernd und stampfend,
die Nase manchmal tief ins Wasser wühlend, gute Nachrichten:
Einige von den an Bord befindlichen Leuten sind befördert und er—
halten Gehaltsaufbesserung. Da ist dann die Freude groß.
Im Spätherbst muß die ganze Besatzung draußen an Bord
sein. Da wird es noch einsamer, eintöniger und recht ungemütlich
dazu. Kurze Tage und lange Nächte. Und was für Nächte oft!
Der Sturm wühlt die See auf und pfeift um den einen starken
Mast. Das Wasser schäumt nur so über das Deck weg, und wenn
der Nebel kommt, dann heult in regelmäßigen Pausen die Dampf—
Sirene ihren unmelodischen Warnruf ins Weite hinaus. Der
Humor geht dabei doch nicht aus, und komisch genug klingt es,
wenn einer von dorther schreibt: „Heute weht es wieder so stark,
daß sieben alte Weiber einen Besenstiel in der Luft nicht gerade
halten könnten!“ Eine Zeit aber giebt es, wo der Humor sehr
herabsinkt, das ist so am 24. und 25. Dezember. Da wandern
die Gedanken aller nach Hause und nach Weib und Kind. Auch
kommt wegen des Feiertags der Usedom oft später. Dann „hatten
wir unsere Weihnachtspackete am heiligen Abend noch nicht, auch
nur Salzfleisch und Hartbrot zu essen. Nachher kam denn endlich
der Usedom heraus, und da verdarben wir uns alle den Magen an
dem Kuchen.“
Kurz nach Weihnachten kommt jedoch ein Tag, der für alles
entschädigt. Ein Schleppdampfer erscheint und holt das Feuerschiff
bon seiner Station herein nach Swinemünde, des beginnenden Eis—
gangs wegen. Und wenn dann der rote Rumpf des Schiffes inner—
halb des Hafens erscheint, dann ist ganz Swinemünde in teilnahm—
doller Bewegung: „Dat Füerschipp kümmt in!“