102 8 22. Anwendungen der sphärischen Trigonometrie
Mittel ist das Azimut null (oder 180°). Die Azimutbestimmungen mit
Digressionen und korrespondierenden Höhen gehören zu den bei grö-
deren Operationen bevorzugten Methoden der Geodäsie,
Da die Deviation des Schiffskompasses veränderlich ist, so muß ihr
Wert fortlaufend nachgeprüft werden. Außerhalb des Hafens dienen da-
zu die Azimute von Gestirnen; es ist daher notwendig, astronomische
Azimute zu berechnen. Wie ınan einem auf- oder untergehenden
Gestirn ein Azimut abgewinnen kann, ist bereits früher (in IV) an-
yegeben. Berechnete Azimute von Gestirnen in beliebiger (nicht zu hoher)
Stellung heißen Höhenazimute, wenn sie aus den Größen @, 0, h be-
rechnet, dagegen Zeitazimute, wenn sie aus @, 0, € abgeleitet sind.
Die Höhenazimute werden ausschließlich zu Deviationsbestim-
mungen verwertet, und zwar in derselben Weise wie Auf- und Unter-
yangsazımute. Unter den in X behandelten Aufgaben findet sich die
Berechnung von a4 aus ©, 0, h nicht, weil sie in der sphärischen Astro-
nomie weiter keine Rolle spielt, also von untergeordneter Bedeutung ist.
Man beachte aber, daß die Gleichung (2) direkt nach cos a@ aufgelöst
werden kann; falls man es für angebracht hält, kann man übrigens diese
Gleichung in ganz ähnlicher Weise weiterentwickeln, wie es in X mit
ler Gleichung (18) geschehen ist*).
Aufgabe (Zeltz, Nautik 5. 254): Am 4. September 1907 findet man
in 8°33'S und 62°0O die wahre Sonnenhöhe h = 17° 51’ und peilt
zugleich die Sonne N 74,5° W. Die mittlere Ortszeit der Beobachtung
ist 5 7m nachmittags. Wie groß ist die Gesamtmißweisung des Peil-
kompasses?
Die mittlere Greenwicher Zeit der Beobachtung ist 0*59"; man
entnimmt daher aus dem Jahrbuch 0 = + 7° 30,5' und berechnet direkt
aus (2) mit gg = — 8° 33' den Wert a = 100° 47,5’. Die Sonne stand
also N 79,2°W und der Peilkompaß hatte die Gesamtmißweisung 4,7° W.
Da die örtliche Deklination 15° W war, so betrug die Deviation 10,3° 0.
Die Zeitazimute dienen, außer zu Deviationsbestimmungen, auch
zur Anwendung der wichtigen Ortsbestimmung nach der sogenannten
Höhenmethode, die in Nr. 3. zu besprechen ist. Sie können unmittelbar
nach der Gleichung (20) oder nach (21) und (22) gefunden werden. Hat
man aber aus @, 0, £ bereits h berechnet, so kann man auch die bequeme
eichung (3) benutzen, um a zu ermitteln. Wir lassen hier ein von
der nautischen Anwendung ganz unabhängiges Beispiel folgen, da diese
Azimutberechnung auch an sich nicht ohne Interesse ist.
1) Um etwaigem Mißverständnis vorzubeugen, bemerken wir, daß in der Geo-
däsie ebenfalls Zeitazimute und für genäherte Orientierung auch Höhenazimute be-
rechnet werden. Hier liegt dann natürlich kein Grund vor, größere Gestirnshöhen
zu vermeiden, wie es die Anwendung des Peilkompasses verlangt (vgl. Jordan, Handb.
ad, Vermessungsskunde III. S. 657 und 669).