Full text: Handbuch des mathematischen Unterrichts (2. Band)

416 8 22. Anwendungen der sphärischen Trigonometrie ; 
mit der am Schiffsorte selbst gemessenen. Ist die berechnete Höhe kleiner 
als die gemessene, so ist der berechnete Zenitabstand größer als der 
gemessene, und der wirkliche Schiffsort liegt somit innerhalb der Höhen- 
zleiche des Besteckortes; im entgegengesetzten Falle liegt er außerhalb 
dieser. Nun sind aber auf der Erdkugel die beiden Höhengleichen des 
Besteckortes und des wahren Schiffsortes zwei konzentrische Kreise, und 
ler zum Orte B gezogene sphärische Radius (oder seine Verlängerung) 
trifft auf der Höhengleiche des Schiffsortes den Punkt A, der auf ihr 
dem Punkte B am nächsten liegt. Das ist gemeint, wenn man sagt, 4 
sei der „wahrscheinlichste Schiffsort“. 
In der Mercatorkarte erhält man den zu A gehörigen Bildpunkt A', 
indem man den Unterschied zwischen der gemessenen und berechneten 
Höhe auf der Normale der durch B' gehenden Höhengleiche nach der 
innen- oder Außenseite hin abträgt. Die in A’ auf 4’ B' errichtete Senk- 
rechte ist die Standlinie des Schiffes, 
Aus einer beobachteten Meridianhöhe ergibt sich die Standlinie 
weit einfacher. Die Berechnung des Azimuts und der Höhe des Gestirns 
fallt ganz weg. Man berechnet aus der Meridianhöhe in bekannter Weise 
lie Breite des Beobachtungsortes; sie ergibt in Verbindung mit der ge- 
zißten Länge den „wahrscheinlichsten Schiffsort“, und die Standlinie ist 
3in kurzer Bogen des Parallels, der durch diesen Punkt geht. 
Zur Erläuterung diene das folgende Beispiel (Leitf. f. d. Unterr. in 
d. Nav. S. 144). Zeitpunkt: 22. März 1903, nach mittlerer Greenwicher 
Zeit 0* 2m 57°. Gegißter Besteckort: g = 35°40'N und 1 =70°4' W., 
Gemessene Sonnenhöhe:4==15°44,9'. Abweichung der Sonne: d = + 0°16,6'. 
Mittlere Ortszeit, aus 4 berechnet: 19* 22 "41° (am 21.März). Umgekehrte 
Zeitgleichung: — 7” 17°. Wahre Ortszeit: $ = 1915245. 
Aus 8, € ergibt sich nach der Gleichung (21) der Hilfswinkel 
vw = 0°50' und demnach aus (22) das Azimut a = — 79°. Eine genauere 
Berechnung ist unnötig. 
Aus g, £ geht nach (23) der Winkel o = 24°14,2' hervor, und 
Jamit liefert (24) die Höhe W/ = 15°23,1'. Demnach ist h — 7 =+21,8'. 
Der wahrscheinlichste Schiffsort liegt vom Besteckort aus in der 
Richtung S 79°0 und ist von ihm 21,8 sm entfernt. Man zieht vom 
Besteckort aus in der angegebenen Richtung den Halbstrahl und trägt 
auf ihm die Entfernung ab. Im Endpunkte der abgetragenen Strecke 
errichtet man auf dem Halbstrahl die Senkrechte; diese ist die Standlinie. 
Da man Kurs und Entfernung der Strecke, die vom Besteckort 
zum wahrscheinlichstem Schiffsorte führt, jetzt kennt, so kann man 
für letzteren die Länge und.Breite auch berechnen (vgl. S. 149—150). 
VI. Besteckauszwei Standlinien. Erst der Schnittpunkt zweier 
Standlinien stellt ein sicheres Besteck dar. Stehen gleichzeitig zwei 
Gestirne in passender Stellung zu Gebote, so bestimmt man die Höhen
	        
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