Full text: Zur Frage der Erziehung des künstlerischen Nachwuchses

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Vergessenheit geraten und erst neuerdings wieder aufgenommen 
werden konnten. Die eifrigsten Vertreter des Berufsbildungs- 
gedankens, der ja übrigens den humanistischen durchaus neben 
sich duldet, sind heute Kerschensteiner und Spranger. Und der 
letztere hat es in aller Schärfe ausgesprochen, daß der eigent- 
liche und einzig schöpferische Kern der ganzen gegenwärtigen 
Schulfrage in der Berufsschule liege. Als Erfolg ihres Wirkens 
können die bereits in den meisten Ländern eingesetzten Prüfungs- 
ausschüsse für überdurchschnittlich befähigte junge Leute, die 
in ihrem Berufe Tüchtiges leisten, angesehen werden. Ueber die 
eben begonnene Tätigkeit dieser Ausschüsse liegen indessen nur 
ganz vereinzelte Berichte vor. 
Beim Architekten kommt zu der technischen aber vor allem 
noch die künstlerische Tätigkeit. Sollte es wirklich unmöglich 
sein, einer hervorragend künstlerischen Begabung, die sich ja 
beim Architekten leicht feststellen läßt, eine geringere Bildungs- 
bedeutung beizumessen als dem abgelegten Abiturientenexamen? 
Große Künstler sind, auch wenn sie sich aus den untersten 
Schichten des Volkes emporentwickelt haben, stets zu den 
Großen des Volkes gerechnet worden. Und ausnahmslos haben 
sie, rein von dem Zentrum ihrer Kunst aus, ihren allgemeinen 
Bildungsstand so zu erweitern vermocht, daß kein Mensch ge- 
wagt haben würde, sie nicht zu den „Gebildeten‘‘ zu rechnen. 
Nachdem der Gedanke des Allgemeinbildungswertes der 
beruflichen, das heißt hier der künstlerischen und technischen 
Arbeit heute von neuem lebendig geworden und gerade auch 
von nichttechnischen Kreisen eifrig verbreitet wird, muß es den 
Technikern und insbesondere den Architekten schlecht anstehen, 
wenn sie sich weiter hinter die alte humanistische Bildung ver- 
schanzen und diese als alleinige Vorbedingung ihrer Berufs- 
erziehung angesehen haben wollen. Gerade sie sollten sich 
bewußt sein, daß vom Mittelpunkte ihrer Berufsauffassung aus 
Möglichkeiten der Bildungserweiterung nach allen Richtungen
	        
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