Full text: Expressionismus

DER GANZE 
GOETHE 
(Goethes Geschichte wäre nun einmal zu 
schreiben: wie jede Generation ihm von einer 
anderen Seite beikommt,; sich von ihm nimmt, 
was sie für sich brauchen kann, und ihn sich 
immer von neuem wieder adaptiert; jede hat 
sich ihren eigenen Goethe gemacht und wenn 
man diese Goethes nebeneinander stellt, ist es 
kaum zu glauben, daß alle von einem und dem- 
selben Menschen ausgegangen sein sollen. 
Den Mitlebenden hat er sich immer wieder 
entzogen. „Wenn die Leute glauben, ich wäre 
noch in Weimar, dann bin ich schon in Erfurt“, 
sagt er selbst einmal und nennt sich den „ver- 
änderten Freund“. Sie konnten ihm nicht nach- 
kommen; kaum glaubten sie ihn zu fassen, war 
er ihnen schon wieder verloren, er ließ sich nicht 
festhalten. Die Freunde des „Götz“ erkannten 
ihn im „Tasso“ nicht wieder, die Treuesten 
schraken vor der Farbenlehre zurück, bald war 
er wirklich der einsame Merlin im leuchtenden 
Grabe. Er ist nicht mehr ernst zu nehmen, er 
treibt es zu arg, klagte schon Karoline Herder, 
einer nach dem anderen stimmte bald traurig bei. 
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