Einleitendes.
Die freitragenden Holzbauwerke stellen Bauformen dar, die auch den Forderun-
yen der neuzeitlichen Baustatik entsprechen. Mit Faustformeln und den üblichen
Zimmermannsregeln allein, so gut viele von ihnen auch sein mögen, kann bei Rahmen-
and Bogenformen bis zu 70 und 80 m Spannweite nicht mehr gearbeitet werden.
Diese Zimmermannsregeln stehen nicht immer in vollem Einklange mit den durch
Jen Zellenaufbau des Holzes gegebenen Forderungen und den neueren Erkenntnissen
der Baustatik. Es soll damit natürlich nicht etwa gesagt werden, daß die alt bewährte
Zimmermannskunst nichts Hervorragendes geleistet habe; von den Meisterwerken
Jieser Baukunst wird im folgenden noch eingehend gesprochen werden, Sie zeigen
aber vielfache statische Unklarheiten, die in ihrer Auswirkung lediglich durch die
Wahl außergewöhnlich starker Hölzer ausgeglichen werden, eine Maßnahme, die wir
ıns aber nicht mehr leisten können. Nicht der Architekt und Baugewerksmeister
hat jetzt, sofern es sich um Großbauten handelt, bei der Planung und Formgestaltung
das entscheidende Wort zu sprechen, sondern der statisch geschulte Ingenieur, und
zwar in steter Zusammenarbeit mit dem praktisch erprobten Zimmermann. Die
Berechnung der Holzquerschnitte allein genügt nicht; wichtig ist vor allem die sach-
zemäße Verbindung der einzelnen Fachwerkstäbe oder der richtige Verband dünn:
wandiger Einzelstücke zum Vollwandbinder, bei steter Berücksichtigung der Tatsache,
daß beim Holz nicht mit gleichen Beanspruchungen nach allen Richtungen hin ge-
rechnet werden kann. Die Bearbeitung des Holzes ist eine einfache, die Formgebung
der Bauwerke eine beliebige. In vielen der folgenden Abbildungen wird gezeigt,
wie anpassungsfähig sich das Holzwerk auch bei schwieriger Grundrißlösung erweist,
Vorteile.
Die besonderen Vorteile der neuzeitlichen Holzbauwerke seien in folgendem
zurz zusammengestellt: .
a) Geringes Eigengewicht. Die Bauwerke sind vielfach leichter als die ent-
sprechenden Ausführungen in Eisen!), ein Umstand, der bei schlechten Bodenverhält-
nissen unter Umständen von ausschlaggebender Bedeutung werden kann.
b) Geringe Kosten für Bearbeitung, Aufbau, An- und Abfuhr. Die Bauten
ormöglichen ein schnelles Bereitstellen der Baustoffe sowie eine verhältnismäßig
oillige Bearbeitung, zwei Umstände, die gerade in jetziger Zeit besonders zu be-
onen sind. Das Holz ist an zahlreichen Bearbeitungsstätten vorhanden und oft
ohne Benutzung der Eisenbahn an Ort und Stelle zu bringen. Die Binderformen
sind leicht und wirtschaftlich günstig. Bei dem früher notwendig gewesenen großen
Verbrauch an Holz und Eisen wurde die Tragfähigkeit oft nicht einmal mit 25 vH
ausgenutzt. Das Zurichten bedarf keiner umständlichen und zeitraubenden Werk-
stattvorarbeit; ebenso sind für das Aufstellen keine so umständlichen Arbeitsvorrich-
tungen wie bei Eisen- und Eisenbetonbauten nötig. Die Binder sind infolge ihres
geringen Gewichtes auch schnell aufzustellen. Bei Eisenbetonbauten verursacht
schon das Aufstellen der Schalung oft gleiche Arbeit und gleichen Zeitaufwand wie
Jas Aufstellen eines vollständigen Holzwerkes. Zur Beurteilung der Frage, welche
Holzbauweise wirtschaftlich am günstigsten ist, kann naturgemäß nicht allein der
Verbrauch an Holz und Verbindungsmitteln maßgebend sein; es spielen auch die
Arbeitslöhne im Sägewerk und auf der Baustelle eine wesentliche Rolle. Weiterhin
1) Daß das Eisen, ungeachtet aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten, seine Bedeutung für den
[ngenieurbau, insbesondere für den Bau großer Strombrücken, beweglicher Brücken und fahrbarer
Förderbrücken, sowie für den Bau von Großhallen, Hochhäusern, Krananlagen usw. behalten wird, ist
jelbstverständlich. Man soll aber — schon der Kohlenersparnis wegen — dem neuzeitlichen Holzbau
Jiejenigen Rechte vorurteils- und neidlos einräumen, die ihm zukommen, um immer genügende
Eisenmengen für all die vielen und wichtigen Großbauten genannter Art zu behalten,
:är die auch der ingenieurmäßig betriebene Holzbau wohl nie in Frage kommen wird.