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Die geschichtliche Entwicklung des freitragenden Holzbaues.
zeringen Neigungen sind außerordentlich schwer herzustellen und verlangen eine
peinlich genaue Ausführung. Bei geringen Ungenauigkeiten in der Arbeit des Zimmer-
manns sind diese Bauweisen daher sehr starken Formänderungen unterworfen. Mit
der Ausbildung klarer Fachwerke, die doch letzten Endes auf die Ausbildung eines
möglichst einfachen und bestimmten Stabsystems mit errechenbaren Spannungen und
deutlicher Knotenausbildung hinzielt, haben diese Sprengewerke nicht viel gemeinsam.
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Abb. 20. Pfeilerauflager eines aus geschachtelten
Sprengewerken bestehenden Brückenträgers,
Sie gehen zwar von dem einfachen Gedanken eines Fachwerkbinders aus, vereinigen
in sich ‚aber, weil für die Aufnahme der Kräfte bei größeren Spannungen ein der-
artiges Tragwerk nicht reicht, sehr viele: Systeme zu einem Ganzen, die derartig
Zusammenwirken, sich gegenseitig ent- und teilweise auch wieder belasten, daß eine
xuch nur annähernd genaue Errechnung der Kräfteverteilung und der Spannungen
in den einzelnen Hölzern unmöglich wird. Wir finden hier den Gedanken der
Schachtelung bis zur größtmöglichen Steigerung durchgeführt.
Abb. 21. Weitergespannte überdeckte Brücke mit Seitenverschalung.
Ähnliches gilt auch von der Überdeckung größerer Hallen- und Saalbauten,
wo Hänge- und Sprengewerksformen in verwandter Weise geschachtelt werden.
Immerhin wird aber infolge der größeren verfügbaren Höhe eine etwas bessere Aus-
bildung der Anschlüsse und ein wenigstens optisch klareres Bild der Binderform
erreicht. Abb. 22 und 23 zeigen die Dachbinder eines Exerzierhauses!). Exerzier-
und Reithäuser stellten in damaliger Zeit hinsichtlich der Raumanforderung einen
Höhepunkt der Entwicklung dar. Abb. 24 zeigt die Formgebung des wohl größten
in Holz hergestellten Dachbinders, der etwa um 1810 für die Reitschule zu Moskau
errichtes wurde. Das Dach hat eine Lichtweite von 44,60 m und eine Länge von
[151 m. Es wurde in 5 Monaten von 400 Zimmerleuten erbaut (Böhm. S. 345).
') Aus Emy: Trait6 de l’art de la charpenterie. Paris 1841.