Full text: Freitragende Holzbauten

Die geschichtliche Entwicklung des freitragenden Holzbaues. 
de l’Orme ist in Abb. 35 nach Aufnahme von Weyrauch (Zentralbl. d. Bauv. 1916, 
Nr. 73) die Ausbildung eines Wagenschuppens aus Bosmont, Departement Aisne, 
wiedergegeben. Dieser Schuppen zeigt eine außergewöhnliche Steilheit des Daches; 
ler Seitenschub ist gering, und die Auflagerung des Daches wird auf einem durch die 
lurchgehenden Pfosten gehaltenen Drempel möglich. Die Bretter sind an der inneren 
Bogenlinie gerade gelassen, um nach Abb. 37 A beim runden Ausschneiden der Brett- 
stücke nicht so viele Holzfasern durchschneiden zu müssen. Eine zwingende Not- 
wendigkeit, an der Innenseite eine glatte Bogenlinie zu haben, lag hier jedenfalls 
nicht vor. Die gesamte Nagelung ist durch Holz erfolgt; der Längsverband besteht 
aus Latten, die durch Ausklinkungen der Bohlenbögen hindurchgesteckt und mit 
Holzkeilen festgehalten sind. 
Ein großer Nachteil des de l’Ormeschen Bogens beruht darauf, daß er bei der 
ziemlich großen Stärke des Bogens verhältnismäßig breite Bohlen erfordert. Dabei 
‚st zu berücksichtigen, daß diese Bohlen je nach dem Profil des Bogens geschnitten 
werden müssen und dadurch die zum Schneiden der Bohlen erforderlichen Stämme 
recht stark werden. In dieser Hin- 
sicht machte man vor hundert Jahren 
eine ganze Reihe der merkwürdigsten 
Versuche. Man wollte nämlich den 
Holzverschnitt verringern und suchte 
laher mit künstlichen Vorrichtungen 
lie Stämme vor dem Schneiden zu 
yiegen. So finden wir in alten Dar- 
‘tellungen des Zimmerhandwerks die 
merkwürdigsten Vorrichtungen und 
Verfahren beschrieben, wie die Stämme 
jeilweise vor dem Fällen, in grünem 
Zustande, teilweise nach dem Fällen 
mit Flaschenzügen, Lehrbogen, über 
Widerlagsböcke usw. gebogen werden, 
[ch verweise unter anderem auf Hassenfratz’ „Traite de l’art du charpentier; aber auch 
Emys „Traite de l’art de la charpenterie‘“ sowie eine ganze Reihe zeitgenössischer 
Werke enthalten Ähnliches. Das Holz besitzt ja die Fähigkeit, daß es sich verbiegen 
läßt, ohne seine Tragfähigkeit zu verlieren. Von diesen Verbiegungen der Hölzer ist da- 
mals ausgedehnt Gebrauch gemacht worden. Die gebogenen Stämme wurden dann mit 
ler Säge in Bohlen geschnitten, wodurch immerhin gegenüber der alten Art, die Bohlen 
nach der Schablone zu schneiden, sich eine Holzersparnis ergab. Gegenüber diesem 
ziemlich umständlichen Verfahren brachte dann um 1830 Emy eine grundlegende 
Neuerung, indem er nach Maßgabe der Abb. 37 B bei seinen Bögen die Bohlen nicht 
mehr hochkant stellte, sondern flach übereinander legte. Diese Bohlen waren leicht 
zu biegen, und Emy hat mit seinen Bogentragwerken große Spannweiten überbrückt 
ınd damals außerordentliches Aufsehen erregt. Abb, 38 zeigt einen ausgeführten 
Hallenbau von Emy?), Abb. 40 den Aufbau eines Emyschen Bogens mit Hilfe von 
großen Hebebäumen?), und Abb. 41 mehrere Entwürfe Emys für große Hallen, 
darunter der rechte von den beiden Bogen für eine Spannweite von 100 m berechnet®). 
Die Emyschen Binderformen wurden allenthalben um ihrer Leichtigkeit willen an- 
gestaunt, teilweise aber auch angefeindet, und zwar sagte man ihnen nach (was 
auch Emy selbst erkannte), daß diese Bogen starken „Schwingungen“ ausgesetzt 
wären. Diese Schwingungen, also eine starke elastische Nachgiebigkeit bei wechseln- 
‘) Aus Emy: Description d’un nouveau systeme d’arcs. 1828. 
‘) Aus Krafft- Thiollet: Traite de l’art de la charpente. Paris 1840. 
‘) Aus Emy: Traite de l’art de la charpenterie. Paris 1841.
	        
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