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III. Das Ilachland im Weser- und Emsgebiet.
Weit weniger als die Mitteldeutsche Gebirgsschwelle erscheint das Flachland
der Weser und Ems gegliedert. Insbesondere fehlt es hier an Namen für die
einzelnen natürlichen Gebietsabschnitte. An ihre Stelle treten vielfach politische,
meist der Vergangenheit entnommene Bezeichnungen, die jedoch für die vor—
liegenden Zwecke keine Verwendung finden können, und es wird deshalb bisweilen
nöthig sein, neue Bezeichnungen einzuführen. — Die Eigenart der Gegend zeigt
diele Uebereinstimmung mit dem Flachlande der östlicher gelegenen Ströme. Die
geringe Meereshöhe, die wellige, stets nur sanfte Formen aufweisende Oberfläche
der höher gelegenen Gebiete im Wechsel mit weiten, tief gelegenen und von
großen Flüssen durchströmten Ebenen, sind sowohl dem ostdeutschen wie dem west—
deutschen Flachlande eigen. Groß sind jedoch auch die Unterschiede: der Osten
des norddeutschen Flachlandes wird beherrscht durch den seenreichen Baltischen
Höhenrücken, der in das Weser- und Emsland nicht mehr hineinreicht. Dagegen
ist die Lüneburger Heide, welche die Wasserscheide zwischen Weser und Elbe
trägt, eine Fortsetzung des Landrückens, der sich von Schlesien her nach Nord—
westen erstreckt. Sie ist, wie auch die Höhenländer westlich der Aller-Weser—
Linie, arm an Seen; vielmehr finden sich die stehenden Gewässer des nordwest—
deutschen Flachlandes vorwiegend in den Ebenen; aber auch hier sind sie selten.
Eigenthümlich ist dagegen dem Westen die große Ausdehnung der Moore, die
zwar dem Osten nicht vollständig fehlen, jedoch bei Weitem nicht solche Größe
erlangen. Auch die Küstengliederung ist eine andere. Die Küste des Ostens ist
ausgezeichnet durch die in mehrfacher Anzahl und weiter Erstreckung auftretenden
Nehrung- und Haffbildungen, während der Westen an ihrer Stelle die Kette der
Friesischen Inseln, sowie die tiefen und offenen Buchten der Flußmündungen und
alter Meereseinbrüche zeigt. Ebenso zeigen sich in geologischer Beziehung
Momente der Uebereinstimmung und der Verschiedenheit. Sowohl dem Osten wie
dem Westen ist das fast unbeschränkte Auftreten quartärer Bildungen eigen; im
Osten aber betheiligen sich die Verwitterungsböden der diluvialen Grundmoränen
weit mehr an der Zusammensetzung der Oberfläche, als im Westen, da hier, in
den weiten Tiefebenen, besonders fluvioglaziale Sedimente größeren Raum bean—
spruchen.
1. Das Aller-Weser-Flachland.
In Ermangelung eines gebräuchlichen Namens muß für das Land zwischen
Weser und Aller, welches den am meisten südlich gelegenen natürlichen Abschnitt
bildet, ein neuer gewählt werden. Im Süden legt sich das Aller-Weser—
Flachland vor die Weserberge und die Vorberge des Harzes längs der nörd—
lichen Grenze der Mitteldeutschen Gebirgsschwelle (vergl. S. 122,83). Das Gebiet
hat ungefähr die Gestalt eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen rechter Winkel bei
Minden, von dem der eine spitze Winkel am Zusammenfluß von Aller und
Weser bei Verden und der andere bei Vorsfelde liegt.
Das Aller-Weser-Flachland ist das Land der großen Ebenen, aus denen nur
kleine Höhen von geringem Umfang heraustreten. Von diesen einzelnen Er—