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des Meliorationswesens enthalten. Wir wenden uns zunächst zum Gebirgslande
und betrachten die damaligen Verhältnisse in dem einen sehr großen Theil des
Oberen Wesergebiets umfassenden Regierungsbezirke Kassel.
Für die Förderung von Meliorationen durch Ent— und Bewässerung hatte
in Kurhessen seit dem Jahre 1859 die landwirthschaftliche Kommission dadurch
zu wirken gesucht, daß sie die Pläne zu solchen Anlagen auf Staatskosten aus—
arbeiten, ebenso die Ausführung leiten ließ und den Betheiligten durch mäßige
Unterstützungen die Ausführung erleichterte. Bei dem Mangel an Gelegenheit
zum Austausche der Grundstücke gelang es jedoch nur an wenigen Stellen, die
namentlich beabsichtigten Meliorationen der Thalwiesen und im Zusammenhange
damit den Umbau der kleineren Wasserläufe durchzuführen. Die meisten Ent⸗
würfe jener Kommission, die sich auf Entwässerungsanlagen, natürliche oder künst—
liche Bewässerungsanlagen, auch einzelne Dränageanlagen, im Ganzen auf einen
Flächenraum von rd. 5 qkm erstreckten, kamen infolge der Zersplitterung des
Grundbesitzes nicht zur Ausführung.
Nach der preußischen Besitznahme wurde die Regierung in Kassel ange—
viesen, die Bildung von Meliorationsverbänden anzuregen und vorzubereiten.
Desgleichen sollte die Generalkommission in Kassel die bei den Zusammenlegungen
zebotene Gelegenheit zur Herbeiführung von genossenschaftlichen Meliorationen
benutzen. Beide Behörden waren beauftragt, sich hierbei der Fingerzeige zu be—
dienen, die ein vom Regierungs- und Baurathe Wurffbain am 282. Dezember
1867 erstatteter Bericht über die Kulturzustände des vormaligen Kurfürstenthums
Hessen in hydrotechnischer Beziehung enthält. Auf diesen gewissermaßen als Ar—
heitsplan für die folgenden Jahrzehnte aufzufassenden Bericht gehen wir nunmehr
näher ein.
„Das in Hessen eingeleitete Separationsverfahren“, sagte Wurffbain, „na—
mentlich die Befreiung der Grundstücke von den gemeinschaftlichen Hutungen, der
Umtausch der Grundstücke und deren zweckmäßige und wirthschaftliche Zusammen—
legung, die damit verbundenen Korrektionen der Gräben und Wege, sowie andere
fruchtbringende Umwandlungen sind wichtige Momente, von denen die Thäler,
Schluchten, Wannen und fließenden Gewässer des Landes wesentlich berührt
werden. Die Provinz besitzt weder ausgedehnte Niederungen, noch breite Thäler,
wie solche in den Provinzen des norddeutschen Beckens vorkommen, dagegen un—
gemein viele Fluß- und Bachthäler, Wannen und Schluchten.“ Er führte weiter
aus, daß gerade in diesen reich gegliederten Thalzügen Kräfte schlummern, von
deren richtigen Benutzung der Aufschwung und das bessere Gedeihen der Land—
wirthschaft abhängig wäre. In den die Gebirge mit einander verbindenden Hügel⸗
reihen, zwischen denen sich muldenförmige und flachwellige Landstriche befinden,
z. B. im Gebiete der Schwalm, sowie auf den stellenweise flach geböschten Ab—
hängen der Thalwände hätte sich der Ackerbau angesiedelt, während die vielen
zumeist eng begrenzten Thäler und Schluchten den Wiesenbau, endlich die höheren
Lagen des Hügellandes und die Gebirge den Wald trügen. „In diesen Ge—
staltungen liegen die verschiedenen Kulturarten, deren Grenzen durch die Lage
der Berge und Thäler meift scharf charakterisiert sind und nicht leicht oder will—⸗