Full text: Stromgebiete und Gewässer (Band 1)

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kürlich verändert werden dürfen, ohne der Landeskultur oder den klimatischen Ver— 
hältnissen Nachtheile zuzufügen.“ 
„Ganz verschieden von den altländischen Provinzen der norddeutschen Ebene 
gestalten sich in Hessen die hydrotechnischen Verhältnisse zur Anbahnung einer 
besseren Landeskultur. Während man in den altländischen Provinzen bei der 
Regulierung von Strömen, Flüssen und Eindeichungen mit langgestreckten Ent— 
wässerungszügen mit dem Mangel an Gefälle zu kämpfen hat, zeigt Hessen überall 
einen großen Ueberfluß an Gefälle, meist eng begrenzte Thäler. Dort schwanken 
die Kulturgrenzen zwischen Acker, Wiese und Wald; hier sind meist feste Grenzen 
von der Natur in dem Relief der Oberfläche vorgeschrieben. Mehr als der dritte 
Theil des Landes besteht aus Wald, während die ihrer natürlichen Bestimmung 
entzogenen abgetriebenen Waldflächen als Hutungen benutzt werden; auch giebt 
es Wüstungen und steile Bergabhänge, die eine Vergrößerung der Waldfläche 
als erwünscht erscheinen lassen. Bei der Theilung der Hutungen muß der Wald 
eine wesentliche, das Ackerland durch Urbarmachung der besseren Flächen eine 
minder erhebliche Vergrößerung erhalten, wogegen der Wiesenbau an bestimmte 
seste Grenzen gebunden ist. 
„In dem jetzigen Zustande wird die Viehzucht noch vielseitig durch die 
Waldweide und die ungetheilten Hutungen unterstützt. Denkt man sich aber die 
Waldweide entzogen und insolge der Separationen durch die Urbarmachung der 
Hutungen in angemessener Lage die Flächen des Ackerlandes vergrößert, so tritt 
die Beschaffung größerer Futtermassen als eine unabweisliche Forderung in den 
Vordergrund. Der Futterbau in den Ackerflächen hat seine Grenzen und ist neben 
den Kosten zu vielen Schwankungen unterworfen, während der Wiesenbau die 
dauernde natürliche, gesundeste und billigste Quelle des Futterbaues darbietet. 
Nach solchen Erwägungen bildet hier die Melioration der Thäler und Wannen 
für einen zu erzielenden ergiebigeren Wiesenertrag einen wichtigen Faktor zum 
besseren Gedeihen der Landwirthschaft. Dazu bietet die natürliche Beschaffenheit 
des Bodens, das Relief des Landes, überall die Hand.“ 
Hierbei dachte Wurffbain an die reiche Gliederung des Gewässernetzes, 
welche die Bodenoberfläche in zahlreiche schmale, von tiefen Thälchen getrennte 
Höhenrücken zerlegt, deren durchschnittliche Breite etwa 4 bis 5 Kmebetragen mag. 
Außer den vom Bergwalde besäumten Wiesengründen der Bachthälchen finden 
sich größere Wiesenflächen in den zur Winterszeit häufig überschwemmten Theilen 
der breiteren Flußthäler, deren höhere Lagen zum Ackerbaue benutzt werden. 
„Durch geeignete Melioration der Thalwiesen wäre neben dem in angemessenen 
Grenzen betriebenen Anbaue von Futterkräutern ausreichender Futterbedarf für 
eine stärkere Viehzucht zu gewinnen. Vielfach bedürfen sie einer solchen Melio— 
ration, weil in den Wasserläufen nachtheilig wirkende Stauwerke liegen und bei 
Hochwasser Beschädigungen des unter einer schwachen Krume aus widerstands— 
losem Gerölle bestehenden Thalbodens verursacht werden. Wegen des starken Ge— 
fälles eignen sich die Wiesengründe meistens gut zur Ent- und Bewässerung; der— 
artige Anlagen sind aber seither durch die Gemenglage der Grundstücke und den 
nicht genügenden Ausbau der Wasserläufe fast überall verhindert worden. Wegen
	        
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