— 275 —
landschaften. Das starke Gefälle der Wiesenthälchen erleichtert gewöhnlich die
Entwässerung sehr und macht kostspielige Anlagen dafür überflüssig. Oft sind
aber die einfachsten Vorkehrungen für den Wasserabzug unterlassen, die Gräben
vom Weidevieh zertreten oder so schlecht geräumt woͤrden, daß trotzdem Ver—
sumpfungen entstanden, zumal zeitweise übermäßig bewässert wurde. Auch wo
die Besitzer zu freiwilligen Verbänden vereinigt waren, wie stellenweise in Kur—
hessen, entbehrte der Wässerungsbetrieb der nothwendigen strengen Aufsicht. In
manchen Gegenden, z. B. im Solling und in dessen Nähe, hat fast jeder Besitzer
eine eigene Bewässerungsanlage geschaffen. Anderswo wurde durch die Gemeng—
lage der Grundstücke die Durchführung der Bewässerung erschwert oder ganz
verhindert. Ein wesentliches Hemmniß für planmäßige Anlagen bildeten und
bilden noch immer häufig die Stauberechtigungen der Mühlenbesitzer, nament—
lich im Thüringerwalde, wo die gewerbliche Benußung des Wassers besonders
hoch entwickelt ist.
Aus dem zum Regierungsbezirke Arnsberg gehörigen Theile des Schiefer—
gebirges pflanzte sich die Bewegung zur Verbesserung der Wiesenkultur auf den
früher großherzoglich hessischen Kreis Biedenkopf fort, wo seit 1872 mehrere
Genossenschaften zur Wiesenmelioration gebildet wurden. Im Wittgensteiner und
Briloner Kreise trat dagegen nach dem anfangs lebhaften Aufschwunge bald ein
Stillstand, ja sogar ein Rückschritt ein. Durch Unterlassung der Ausbesserung
von Hochwasserschäden, besonders aber der Fürsorge für die von den Genossen—
schaftsmitgliedern herzustellenden Folgeeinrichtungen verminderten sich die ursprüng—
lich befriedigenden Erträge der Wässerungswiesen, was von neuen Meliorationen
zurückschreckte. Als Haupthinderniß für den geregelten Betrieb der vorhandenen
Bewässerungsanlagen erwies sich die Zersplitterung des Grundbesitzes. Einen
frischen Anstoß gewann daher die Meliorationsthätigkeit im oberen Edergebiete
erst wieder mit der Einleitung des Theilungs- und Zusammenlegungsverfahrens
in den neunziger Jahren. Die bei den Auseinandersetzungsplänen und Nachträgen
hierzu gebildeten Verbände sind jetzt großentheils in Ent- und Bewässerungs—
genossenschaften verwandelt worden oder als solche gesichert.
Im oberen Diemelgebiete, wo die Verkoppelungen schon früher begonnen
waren, fand das Beispiel der Westheimer Wiesengenossenschaft nur langsam Nach—
folge. Auch hier verzögerten die Zerstörungen des wilden Hochwasserflusses viel—
fach die planmäßige Herstellung und Instandhaltung der Anlagen, sodaß ebenfalls
erst in den neunziger Jahren eine Anzahl von Ent- und Bewässerungsgenossen—
schaften zustandkam, während schon vorher durch freiwillige Vereinigungen von
Wiesenbesitzern und von einzelnen Eigenthümern zweckmäßig eingerichtete Be—
wässerungsanlagen geschaffen waren. In dem ehemals kurhessischen Antheile des
mittleren und unteren Diemelgebiets fanden die in den siebziger Jahren be—
gonnenen Wiesenmeliorationen Schwierigkeiten verschiedener Art, besonders auch in⸗
folge der Gemenglage der Grundstücke, weshalb z. B. an die Ausführung der
umfangreichsten Ent- und Bewässerungsanlage Niederhessens bei Volkmarsen erst
herangetreten werden konnte, nachdem das Zusammenlegungsverfahren bis zu den
neunziger Jahren weit genug vorgeschritten war. Die unerwartet großen Kosten
dieser Anlage haben auf weitere Kreise derart entmuthigend eingewirkt, daß seit—