Full text: Stromgebiete und Gewässer (Band 1)

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Die andere kontinentale Hälfte wird in ihrer ganzen Ausdehnung von un— 
regelmäßigen Bergsystemen eingenommen, deren nördlichste viel weiter nach 
Norden und also näher zum Meere sich erstecken, als die entsprechenden Er— 
hebungen der anderen norddeutschen Stromgebiete. Infolgedessen treten schon die 
Grenzen beider Hälften in klimatischer Beziehung viel auffallender hervor, und 
das Innere der südlichen Hälfte bietet äußerst reiche Mannigfaltigkeit und steten 
Wechsel der meteorologischen Verhältnisse. Während in den Haupt-Thälern 
etwa dieselbe Jahrestemperatur herrscht, wie in der nördlichen Hälfte — die 
höhere und kontinentalere Lage kompensiert den Einfluß des höheren Sonnen— 
standes —, sinkt sie mit dem Anstieg des Geländes, mit dessen Wellen unregel— 
mäßig wechselnd, und geht, auf den höchsten Erhebungen bis auf fast 2 Grad 
herunter, sodaß also die räumlichen Unterschiede im Jahresmittel mehr als 
6 Grad betragen. Die jährliche Niederschlagshöhe kommt in den trockensten 
Gebieten, d. i. einer Reihe tiefgelegener Flußthäler, den niedrigsten Werthen 
der nördlichen Hälfte gleich, übersteigt aber in den höheren Theilen mehrerer 
Berggruppen 100 em und beträgt im Maximum sicher mehr als 160 em, sodaß 
also in der räumlichen Vertheilung des Jahresniederschlages Differenzen von 
mehr als 1mm auftreten. 
Auch im jährlichen Verlaufe von Temperatur und Niederschlag, in den 
Extremen u. s. w. desgleichen aber auch bei den anderen klimatischen Elementen 
zeigen Nord und Süd gegeneinander charakteristische Unterschiede, die in allen 
Einzelheiten aufzuklären und zur Darstellung zu bringen die Aufgabe des vor— 
liegenden Abschnittes ist. — 
Die Witterungsverhältnisse wechseln in unregelmäßiger Weise, aber sie 
pendeln innerhalb gewisser Grenzen um eine Mittellage, welche das Charakteristikum 
des Klimas bildet. Die Klimatographie hat diese Mittellagen für die einzelnen 
meteorologischen Elemente und für die einzelnen Jahresabschnitte festzustellen und 
sie von Ort zu Ort mit einander in Beziehung zu bringen. Daß hierzu längere 
Beobachtungen an einer Reihe von Punkten desjenigen Gebietes, dessen Klima 
heschrieben werden soll, nöthig sind, wird demgemäß selbstverständlich erscheinen. 
In unseren Breiten ist aber die Veränderlichkeit der Witterung derartig groß, 
daß noch von keiner einzigen Station die vorhandenen Beobachtungsjahrgänge 
genügen, um jene Mittellagen, meist Normalwerthe genannt, mit einer solchen 
Genauigkeit zu bestimmen, wie man etwa die benutzten Beobachtungs-Instrumente 
abzulesen pflegt. Man hilft sich bis zu einem gewissen Grade dadurch, daß man 
für das ganze Gebiet die Normalwerthe aus demselben Zeitraume ermittelt. 
Die Unsicherheit der absoluten Beträge bleibt zwar bestehen, aber die Unsicher— 
heit liegt bei allen Orten eines nicht zu großen Gebietes nach der gleichen 
Richtung, sodaß die klimatischen Unterschiede sehr viel mehr gewährleistet sind, 
als die Normalwerthe selbst. Es gilt also die Forderung zu erfüllen, möglichst 
lange und gleichzeitige Beobachtungsreihen zu verwenden. Mit Rücksicht auf 
das vorhandene Beobachtungsmaterial erschien es hier zweckmäßig, wenigstens 
für Temperatur und Niederschlag den Zeitraum 1851, 1890 zu Grunde zu legen, 
wie es auch bei den Klimabeschreibungen der übrigen Stromgebiete geschehen ist. 
Zwar wäre es im vorliegenden Falle angängig gewesen, den Zeitraum nicht
	        
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