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Am Unterlaufe zeichnet sich der vorzugsweise aus der Verwitterung des
Muschelkalkgerölles entstandene milde, fruchtbare Aueboden zwischen Treffurt und
Eschwege durch reiche Erträge aus. Die klimatisch geschützte Lage begünstigt
hier und in den Thalerweiterungen weiter flußabwärts, namentlich bei Allen—
dorf-Sooden und Witzenhausen, die Verwerthung des Bodens zum Anbaue an—
spruchsvoller Feldfrüchte auch innerhalb des Ueberschwemmungsgebiets, soweit
dies gegen Ueberströmung von Natur oder mit Deichanlagen geschützt ist. In
den unteren, zum Kreise Witzenhausen gehörigen Niederungen besitzt der haupt—
sächlich durch Verwitterung des Buntsandsteingerölles erzeugte Aueboden wegen
des größeren Sandgehaltes und nicht immer ausreichenden Kalkzusatzes geringere
Fruchtbarkeit, liefert aber doch meist gute Ernten. Die niedrigen Lagen in dem
zuletzt durchweg sehr engen Werrathale werden als Wiesen benutzt, denen die
winterlichen Ausuferungen reichliche Dungstoffe zuführen.
II. Abflußvorgang.
1. Uebersicht.
Auf dem Rücken des Thüringerwaldes und wahrscheinlich auch auf den
höchsten Kuppen der Hohen Röhn beträgt die jährliche Niederschlagshöhe mehr
als 1200 wmm. Im gesammten Gebiete des Weserstromes besitzen sonst nur zwei
Gegenden einen so starken Regenfall, nämlich das Rothhaargebirge und das Brocken⸗
massiv, dessen Niederschlagsmengen die in der Karte Bl. 6 enthaltene Niederschlags⸗
stufe von mehr als 1400 mm wahrscheinlich noch nicht ganz gerecht wird. Die
Werra theilt also mit ihrem Geschwisterflusse Fulda die Eigenschaft, daß ihr Ge⸗
wässernetz in zwei von den niederschlagreichsten vier Flächenstücken des Strom—
gebietes hineingreift. Dennoch ist ihr Abflußvorgang bei Hochwasser viel weniger
ungestüm als derjenige der Fulda. Dies kann nicht etwa daran liegen, daß weite
Gebiete zu beiden Seiten des Flußlaufes nur eine jährliche Niederschlagshöhe
unter 700 mm, theilweise sogar unter 600 mm haben; denn dies ist bei der
Fulda in nicht minder ausgedehntem Maße der Fall. Die Ursache beruht viel⸗
mehr auf der günstigeren Gliederung des Gewässernetzes, theilweise wohl auch
auf den andersartigen geologischen Verhältnissen. Was den ersten Punkt an⸗
belangt, so fehlt es im Gebiete der Werra an einem Wasserlaufe, der in ähn—
licher Weise die Vorherrschaft über den Abflußvorgang, namentlich bei Hoch—
wasser, ausüben könnte, wie dies im Fuldagebiete die Eder thut. Das Gesammt⸗
gebiet der Werra zersplittert sich mehr in eine größere Anzahl kleinerer, unter
einander nur in losem Zusammenhange stehender Entwässerungsfelder, wodurch
die Hochwasserwellen eine merklich flachere Form erhalten als bei der Fulda,
sodaß auch die sekundlichen Höchstmengen geringer bleiben als bei dieser. Hierzu
kommt, daß neben dem Buntsandstein, der in beiden Flußgebieten die am meisten
verbreitete Gesteinsart ist, im Werragebiete undurchlässige Böden eine weit ge⸗
ringere Verbreitung besitzen als im Fuldagebiete, dessen Haupt⸗Hochwasserfluß
aus den undurchlässigen Böden des Rheinisch-Westfälischen Schiefergebirges