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sollte; diese verpflichte nämlich die Gemeinden zur gemeinschaftlichen Unter—
haltung der Ufer, war aber in Vergessenheit gerathen. Ein an die Zentralstelle
gerichteter Antrag vom 7. August 1822 auf Anstellung eines Stromaufsehers
besagte: „Die Werre ist ein sehr bösartiges und reißendes Wasser, und die
theils zum Schutz der daran belegenen Ländereien, vorzüglich aber auch zur
Bewahrung der unfern derselben befindlichen Königlichen Salzquellen von Neu—
salzwerk gegen Vermischung mit wildem Wasser nothwendigen Uferdeckungen
erfordern eine stete Aufsicht. Die Deckungskosten selbst werden von den Adja—
zenten getragen.“ Da der Antrag keine Bewilligung fand, besserten sich die
Zustände nicht, sondern griffen die Uferabbrüche immer weiter um sich und nahm
die Verwilderung zu, besonders nach dem Hochwasser und Eisgange im Winter
18383,/34, der verderblichen Hochfluth vom 20./21. Dezember 1837 und dem
ungewöhnlichen Hochwasser des Jahres 1841, das an der unteren Werreerd.
28 qkm überfluthete. Im gleichen Grade nahmen aber auch die Klagen über
das feste Wehr zu, dem die Anlieger alle Schuld beimaßen.
Mit Bezug auf die spätere Entwicklung dieser Angelegenheit ist das am
21. Dezember 1838 vom damaligen Geheimen Oberbaurathe Hagen erstattete
Gutachten doppelt wichtig. Es betrachtet die vielen scharfen Krümmungen als
Hauptursache der Uferbrüche und Versandungen, empfiehlt daher eine durch—
greifende Begradigung um 2,4 kKm-(von 7,3 auf 4,9 kme Länge) der Flußstrecke
von oberhalb Mahnen bis zum Wehre. Eine Beseitigung der Stauanlage wurde
wegen des Verlustes der Wasserkraft und die Anlage einer Freiarche wegen der
großen Kosten nicht für zweckmäßig erklärt. Um für die unmittelbar oberhalb
des Wehres liegende Niederung bessere Vorfluth und Senkung des Hochwasser—
spiegels zu erzielen, hielt das Gutachten eine „Aufräumung und Gradeleitung
des Bettes“ unterhalb der Stauanlage für rathsam. Wenn auf solche Weise
ein glatter Verlauf des Hochwassers ermöglicht wäre, würde die Eindeichung der
Niederungen auszuführen sein; jedoch dürften die Deiche nicht so nahe an den
Fluß gerückt werden, wie dies bei den inzwischen hergestellten Dammanlagen
geschehen sei.
Dennoch erklärte sich die Bergverwaltung, um dem unausgesetzten An—
drängen der Niederungsbewohner zu begegnen, zur Anlage einer Freiarche erbötig,
wenn diese die Durchstiche und Deiche bauen wollten. Nach jahrelangen Ver—
handlungen und Bearbeitung mehrerer Entwürfe kam man schließlich dazu, das
feste Ueberfallwehr in ein Nadelwehr umzuwandeln, dessen Unterbau 1,6 m unter
den normalen Oberwasserspiegel gelegt wurde, während der mittlere Unterwasser—
spiegel 0,7 m unter der festen Sohle des Nadelwehres liegt. Bei dem 1862
aufgestellten Entwurfe war angenommen, der Spiegel des gewöhnlichen Hoch—
wassers würde hierdurch im geöffneten Wehre um 0,94 m, derjenige des größten
Hochwassers um 0,63 m gesenkt werden können. Sobald der Bau vollendet wäre,
beabsichtigte man eine Wassergenossenschaft für die Melioration der Werreniede—
rung zu bilden. Im Jahre 1864 wurde das Nadelwehr von der Bergver—
waltung gebaut.
Während der langen Verhandlungszeit hatte die Verwüstung der früher
äußerst fruchtbaren Grundstücke an der Werre ihren Fortgang genommen, be—