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Denn die Gestaltung der Wasserläufe, die jetzt diese weite Thalfläche durchziehen,
legt den Gedanken nahe, daß die Vereinigung der Weser mit der Aller keines—
wegs immer an der jetzigen Stelle stattgefunden, sondern mehrfach bedeutende
Verschiebungen erfahren hat. Die Ochtum, Eyter und Emte fließen durch deut—
lich erkennbare Bodensenken von solcher Breite, daß ihre geringfügigen eigenen
Wassermengen diese sicherlich nicht auszunagen vermocht haben. Ja es waren
hierzu sogar größere Wassermassen erforderlich, als gelegentlich noch in den
letzten Jahrzehnten, früher allerdings viel häufiger, zur Hochwasserzeit durch
diese für die Entlastung des Weserstromlaufs dienenden Gerinne geflossen sind.
Ebenso strömt noch jetzt ein Theil des Allerhochwassers oberhalb der Mündung
durch die rechtseitige Niederungsfläche und erreicht die Weser weit stromabwärts
aim Badener Berge im Zuge eines Wasserlaufs, der durch seine Benennung
„Alte Aller“ darauf hinweist, daß ehemals bis dorthin die Aller ein selbständiges
Bett besaß.
Vielleicht kann eine genaue geologische Untersuchung der Hoya — Bremener
Niederung zu näheren Aufschlüssen darüber führen, welche Umwandlungen dort
oorgegangen sind, seitdem während des Rückganges der nordischen Vereisung
das Schmelzwasser diesen Thalzug bis zu einer Sohlenhöhe ausgenagt hatte, die
bei Bremen nach verschiedenen Bohrungen tief unter dem jetzigen Meeresspiegel
liegt. Diese machen es wahrscheinlich, daß die Verbindung der Wümme-Hamme—
Niederungen mit der Weserniederung erst ziemlich spät unterbrochen worden ist;
dielleicht bestand sogar zur Diluvialzeit eine Verbindung von der Hammeniederung
nach der Elbemündung. Der die Wümme- und Weser-Niederungen trennende
Dünenzug liegt auf alluvialem Untergrunde; seine Entstehung „kann wohl nur durch
die Annahme einer Zeit vorübergehender Dürre erklärt werden, wobei der feine
Diluvialsand über die trockenen Lehmschichten wie über eine Tenne hinweg nach
der Mitte des Gebiets von den Winden zusammengefegt wurde.“) Als nach dem
Durchbruche der Weser durch die Gebirgskette und das trennende Flachland von
Süden her größere Wassermassen einmündeten, waren vermuthlich die Diluvial—
zewässer längst nicht mehr in Thätigkeit, sondern war an ihre Stelle die weitaus
schwächere Aller getreten. Thatsächlich fehlen in den unteren Alluvialschichten bei
Bremen die Trümmer der Gesteinsarten des Wesergebirgslandes vollständig. Die
Aller hatte vermuthlich in dem für sie viel zu breiten Bette eine ihrem Arbeits—
bermögen entsprechende Rinne ausgenagt längs des rechtseitigen Höhenlandes, dem
sie schon oberhalb folgte. Ihre Geschiebeführung war damals aber lange nicht
so groß wie die der Weser, die wegen ihrer ungemeinen Erosionsthätigkeit in
den oberen Strecken sehr bedeutend gewesen sein wird. Daher verdanken die nach
Hoya hin in bedeutender Mächtigkeit auf dem Diluvialsande lagernden Alluvial—
bildungen ihren Ursprung hauptsächlich der Weser, die in dem als ihr inneres
Mündungsbecken anzusehenden, seeartig erweiterten Diluvialthale mit verästeltem
Laufe ein inneres Delta herstellen mußte, das allmählich die volle Breite überspannt
hat; seinen Uebergang zum äußeren Delta bezeichnet jener Schuttkegel bei Bremen.
*) H. Kurth „Lage und geognostische Beschaffenheit“ im Sammelwerke „Bremen
ind seine Bauten“. Bremen, 1900. Der Aufsatz stützt sich großentheils auf die Unter—
uchungen von W. O. Focke über die Bodenkunde des bremischen Gebiets.