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Der weitaus größte Theil der Wesermarschen wird durch Deiche gegen
Tidehochwasser und Sturmfluthen geschützt; die Vorländer der beiderseits den
Ztromlauf begleitenden Deichzüge und der eingepolderten Inseln haben überall
aur geringe Breite. Aber nicht allein diese Vorländer, sondern auch die ein⸗
gedeichten Flächen dienen ganz überwiegend als Grünland, blos in höheren Lagen
ständig oder vorübergehend zum Ackerbau. „Wo die Oberfläche des Bodens,
das sogenannte Maifeld“, sagt Kollmann,*) nicht gegen die höheren Winter—
wasserstände gesichert liegt, ist der Anbau von Winterfrüchten von vornherein
ausgeschlossen. Derartige Grundstücke werden, sofern sie in den Sommermonaten
aicht durch Ueberstauungen zu leiden haben, der Regel nach als Grünland genutzt
und in längeren Zwischenräumen einige Jahre hindurch mit Hafer bestellt. Liegt
die Oberfläche auch dafür zu niedrig, so wird das Land lediglich als Weide
und als zum Mähen bestimmtes Grasland verwandt. Bei ganz niedriger Lage
endlich, infolge deren das Land im Winter längere Zeit unter Wasser steht,
kann nur die Verwendung als Mähland stattfinden.“ Die uneingedeichten Ufer⸗
indereien an der Unterweser, die weniger als etwa O,Um über gewöhnlichem
Tidehochwasser liegen, meistens junge Anschwemmungen, sind in der Regel mit
A bewachsen.
Soweit sich hiernach die Ländereien überhaupt zur Ackerwirthschaft eignen,
wird beispielsweise im nördlichen Butjadingen etwa ein Drittel bis zur Hälfte,
im Süden der Wesermarschen ein Viertel bis ein Drittel der Ländereien einer
Besitzung zum Anbaue von Getreide und Hackfrüchten bestimmt. Möglichst sucht
man aber den von Winterüberstauung verschont bleibenden Boden als Weide
auszunutzen, falls es angängig ist, während des Sommers gutes Süßwasser zur
Viehtränke zu beschaffen. Hierfür dienen die gleichzeitig zur Einfriedigung der
Grundstücke benutzten Entwässerungsgräben, die es ermöglichen, das thunlichst
rühzeitig auf die Fettweide getriebene Vieh je nach der Witterung 6 bis
7 Monate lang sich selbst zu überlassen, bevor es auf den Markt gebracht wird.
Das auf Moorboden durch Wühlen „umgeschossene Klailand“ bleibt längere Zeit
vindurch als Ackerland tragfähig und giebt späterhin, da das Moor im. Unter⸗
gzrunde einen dem Graswuchse zuträglichen Feuchtigkeitsgrad erhält, meistens ein
gutes Grünland ab. Im Ganzen werden von der landwirthschaftlich nutzbaren
Fläche des Weserthals im Muͤndungsgebiete etwa 280 als Ackerland, 30 */0
als Wiesen und 420 als Weiden verwerthet.
Bei den neuerdings stattgefundenen Beobachtungen über die Grundwasser⸗
bewegung im unteren Theile der Hoya Bremener Niederung hat sich ergeben,
daß die Schwankungen des Grundwasserstandes vollständig abhängig sind von
den Wasserständen der Weser. Die hierbei benutzten Brunnen waren durch die
thonig-lehmigen oberen Schichten bis in den sandigen, grandigen oder kiesigen
Untergrund abgeteuft, weshalb Zweifel entstanden sind, ob diese Beobachtungen
als maßgebend für die Beurtheilung des Feuchtigkeitzustandes des Oberbodens
anzusehen seien. Zu dieser Frage, deren Löfung durch Fortsekzung der begonnenen
*) P. Kollmann „Das Herzogthum Oldenburg in seiner wirthschaftlichen Entwicklung
während der letzten 40 Jahre“. Oldenburg, 1893.