Unmittelbar oberhalb findet sich auch der einzige größere Hochwassernebenlauf
der ganzen Stromstrecke, der sich auf dem rechten Ufer als flache Mulde von
Hajen bis nach Latferde hinabzieht und in seinem unteren Theile den Lauf der
Ilse aufgenommen hat. Wahrscheinlich ist, wie auch Guthe angiebt, diese Mulde
ebenfalls als Ueberbleibsel einer Stromspaltung anzusehen.
In dem die beiden letzten Theilstrecken von der Emmermündung bis
Veltheim und von da zur Weserscharte umfassenden Unterlaufe der Oberen Weser
besteht jetzt nur noch eine einzige Spaltung des Stromes in der Thalenge bei
Hameln, wo er, durch die Schuttablagerungen der Hamel westwärts gegen den
Klütberg gedrängt, sich seinen Weg über eine feste Schwelle von Keupersandstein
hinweg hat bahnen müssen. Außer dem in der dort entstandenen Stromschnelle
von Alters her liegenden kleinen Werder, der den Strom in zwei ungefähr gleich
breite flache Arme theilt, bestand hier früher noch eine größere Spaltung, die
eine für den durch die Querthäler der Humme und der Hamel ziehenden Verkehr
zwischen Westfalen und dem Sachsenlande wichtige Uebergangstelle bildete. Die
dort seit dem 8. Jahrhundert allmählich aufgeblühte Ansiedelung und die sich frühe
»entwickelnde Ausnutzung der Wasserkraft der dortigen Wasserläufe hat den Be—
tand und wirthschaftlichen Werth der kleineren Stromtheilung bis auf die Gegen—
wart erhalten, während die größere längst verschwunden ist.
Ueber die gerade in der Nähe von Hameln nachweislich vor sich gegangenen
großen Veränderungen des Stromlaufs enthält die Familiengeschichte der seit dem
Mittelalter auf Gut Ohr bei Hameln ansässigen Freiherren von Hake bemerkens⸗
verthe urkundliche Nachrichten.) Danach hat ehemals das Gut Ohr auf dem
linken Ufer der Emmer gelegen, die damals erst bei Hameln sich mit der Weser
bereinigte, während diese von Ohsen zwischen Tündern und Hastenbeck hindurch
an der rechten Seite des Thales ihren Lauf nahm und Hameln links liegen
ließ. Bei den außerordentlichen Ueberschwemmungen des Weserthals in den
Jahren 1342 und 1374 bildeten sich große Umgestaltungen des Stromes aus,
der 1374 unterhalb Ohsen sein früheres Bett verließ, in das bisherige Emmer—
»ett durchbrach und nun, diesem folgend, zwischen Tündern und Ohr hindurch
iach Hameln floß. „Unter dem Ohrberge“ hatten sich dabei, sehr zum Schaden
der dortigen Marsch, drei Stromarme entwickelt. „Im Jahre 1556 fand eine
hedeutende Regulierung der Weser statt, und zwar vom Fuße des Ohrberges be—
ginnend und beim Einflusse der Humme auslaufend.“ Der damalige Zustand des
Stromlaufs ist nach einem alten Handrisse dargestellt. Wie daraus ersichtlich,
varen an dieser Stelle nun vier Stromarme vorhanden, von denen der äußerste
nochmals durch eine Insel getheilt wurde. Der erste, dem Ohrberge zunächst
liegende, sehr schmale und seichte Arm, ist bei jenem Ausbaue zur vollen Strom—
breite erweitert worden, sodaß die übrigen bis auf die noch vorhandenen Rinnen
der Haste und der Hamel trocken liefen. In anscheinendem Widerspruche damit
besagt eine spätere Nachricht: „Ein Arm der Weser ging von Hagenohsen neben
Hastenbeck und der Afferdeschen Warte vorbei und lief unter dem Barberge bei
*) Freiherr v. Hake „Geschichte der Freiherrlichen Familie v. Hake in Niedersachsen“.
Als Manuskript gedruckt. (Vom 12. Jahrhundert bis 1887.)