Full text: Die Aller und die Ems (Band 4)

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In dieser Hinsicht zeigt die Aller also ganz dasselbe Verhalten, das sich 
mit unerheblichen Veränderungen bei allen Wasserläufen des Wesergebiets findet. 
Dagegen tritt die Eigenart der Aller und auch die ihrer Nebenflüsse deutlich in 
dem Gepräge der Hochwassererscheinungen hervor. Obgleich das Gebiet der Aller 
—— 
schroff gegen das Vorland abfällt, gleicht ihr Abflußvorgang doch, wie schon auf 
S. 9 bei der Uebersicht über das Gewässernetz angegeben ist, dem eines Flachland— 
flusses. Dies hat seine Ursache hauptsächlich darin, daß das Bergland durch zwei 
Flüsse, die Oker und die Leine, entwässert wird, die gewissermaßen selbständige 
Glieder des Gewässernetzes sind, ohne von der durch den Ursprung ihrer Wasser— 
mengen bedingten Eigenart viel auf den Hauptfluß übertragen zu können. 
Denn die außerordentlich gefällreiche Oker ist zwar an ihrem Oberlaufe 
zu den reißendsten Hochwasserflüssen des ganzen Wesergebiets zu zählen; am 
Mittellaufe wird aber das Vordringen der Fluthwellen durch zahlreiche Abfluß— 
hindernisse gehemmt. Außerdem gehören grade ihre bedeutendsten Hochfluthen 
dem Hochsommer an und finden dann das Flußbett der Aller nur mäßig gefüllt, 
sodaß hier, wo in den Wintermonaten viel gewaltigere Wassermengen abzuführen 
sind, die Anschwellung nicht allzu hoch wird. Daß der Fluthgipfel der Aller trotz 
ihres viel trägeren Abflußvorgangs nicht viel später an der Mündung der Leine 
eintrifft als der dieses Flusses, beruht großentheils auf der Einwirkung der Oker, 
deren Hochwasser trotz der erwähnten Abflußhindernisse vor dem der Aller einen 
weiten Vorsprung zu behalten pflegt. Doch auch die anderen, theilweise nicht 
diel kleineren Seitengewässer, die (verschiedene mit nicht unerheblichem Gefälle) der 
Aller in kurzen Abständen von beiden Seiten zuströmen, helfen bei gleichzeitiger 
Erregung des ganzen Gewässernetzes durch das zeitige Eintreffen ihrer Fluthwellen 
dabei mit, den Fluthscheitel im Hauptflusse viel rascher abwärts zu tragen, als 
dessen Wassermengen selbst vordringen. 
Die Leine besitzt von Hause aus nicht einen ganz so stürmischen Hoch— 
wasserabfluß wie die Oker, da das höchste Gebirge in ihrem Gebiete nicht, wie 
bei unseren meisten anderen Flüssen, im Süden und nahe der Quelle liegt, sondern 
ziemlich nahe an den Mittellauf des Flusses herantritt (vergl. S. 566). So kommt 
im Gewässernetze der Leine dem Ungestüme der Oker nur die Innerste und viel— 
leicht auch die Rhume gleich, wenigstens soweit diese durch die Oder und die 
Söse vom Harze her gespeist wird. Das übrige zur Leine entwässernde Bergland 
liegt so verstreut, daß nur höchst selten einmal die ganze von ihm eingenommene 
Fläche von starken Sommerregen übergossen wird, und so gehören die großen 
Hochwasser der Leine wie die der Aller bis auf eine geringe Ausnahmezahl dem 
Winterhalbjahr an. Vor Allem aber vereinigt sich die Leine mit der Aller erst 
so weit unten und infolgedessen unter so geringem Gefälle beider Wasserläufe, 
daß ihre Hochwassermengen sich gewöhnlich zu einer sehr lang gestreckten, trägen 
Fluthwelle vereinigen, die das schon in den oberen Strecken sehr breite Flußthal 
weithin überschwemmt. Für die größte Abflußmenge, die hierbei eintreten kann, 
ist von einigem Vortheil, daß der Fluthscheitel der Leine dem der Aller gewöhnlich 
etwas vorangeht; sehr erheblich ist dieser Gewinn aber nicht. Denn der Wasser— 
spiegel der Leine erreicht seinen Höchststand zwar meist ziemlich rasch, fällt aber
	        
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