Heiligenstadt.
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Eine wesentliche Förderung wurde der Stadt Heiligenstadt 1294 durch Erz-
bischof Gerhard I. von Mainz dadurch zuteil, daß er ihr neben der Erlaubnis
zum Anbau von Häusern vor der Stadt noch den Vorteil brachte, daß fortan
durch Heiligenstadt die gemeinen Straßen („strata communis“), die bisher durch
Beuren und durch Uder gegangen waren, gehen sollten, und daß endlich die
Stadt Heiligenstadt alle die Ehren, Freiheiten und Rechte genießen sollte wie
die anderen Städte des HErzstifts Mainz.
Stadtgerichte und Stadtverfassung. Dem Marktflecken Heiligenstadt
mit den Dörfern der nördlichen Zent des Eichsfeldgaues stand im 11, Jahrhundert
als Richter der erzbischöfliche Vogt (advocatus) vor, der wohl auch weltlicher
Richter des Martinsstiftes war. Seit Erbauung der Burg Rusteberg um 1120
gehörten zur Vogtei Heiligenstadt nur die Dörfer der nördlichen Zent des Eichs-
feldgaues, die nicht als Burglehen an die Rusteberger Burgmannen verlehnt
worden waren. Während bis dahin Heiligenstadt der Mittelpunkt und Hauptort
der ganzen Zent gewesen war, war es fortan lange Zeit nur noch Hauptort des
östlichen Teiles (bis 1540). Die erzbischöfliche Burg Rusteberg war Mittelpunkt
des westlichen Teiles geworden. Sodann hat Herzog Heinrich der Löwe die
Vogtei Heiligenstadt besessen, wohl als Obervogt, der sich durch Untervögte
vertreten ließ. Als Erzbischof Siegfried III. von Mainz des Löwenherzogs Enkel,
den Herzog Otto das Kind von Braunschweig, mit den Mainzer Lehen, wie sie
sein Großvater Heinrich der Löwe besessen, 1239 belehnte, wurde ausdrücklich
davon ausgeschlossen „die advocatia in Heiligenstat“. (Gudenus, Cod. dipl.
Magunt. I. No. 225.) Im 14. Jahrhundert (1315 und noch 1374) wird Graf Otto
von Lutterberg als Inhaber der Vogtei Heiligenstadt genannt. Dieser hatte die
Einkünfte der Vogtei verlehnt an Hildebrand von Hardenberg und sodann an
die Ritter von Geisleden. Erzbischof Heinrich III. von Mainz erkaufte 1341 von
den Gebrüdern Hugo und Johann von Geisleden deren Anteil an der Vogtei zu
Heiligenstat, über die Aldenstat Heiligenstadt und über die Dörfer. (Gudenus III.
No. 227.) 1373 verkaufte der Burgmann Wedekind von Geislede zu Scharfenstein
seinen Anteil an der Vogedige zu Heilginstad und an den dazugehörigen Dörfern
an den Heiligenstädter Bürger Helwig Hugoldis auf Wiederkauf, wozu 1374
Graf Otto von Lutterberg (als Lehnsherr) seinen Erlaubnisbrief gab. In der
Willkür der Stadt Heiligenstadt vom Jahre 1335 ist nur noch in 8 95 die Rede vom
„Voyte in der Aldinstat“; an seine Stelle war bereits der erzbischöfliche Vitztum
(oder Amtmann) auf dem Rusteberge getreten, wie $ 11 und 8 25 zeigen.
Als Erzbischof Siegfried II. um 1225 die Neustadt erbaute und das nun aus
Altstadt und Neustadt bestehende. Heiligenstadt zur Stadt erhoben hatte, war der
Vogt zwar Richter in der Altstadt geblieben, aber er hatte als Beisitzer im Vogt-
dinge den erzbischöflichen Schultheißen, der zugleich zum Richter in der Neu-
stadt und auf der Freiheit des Stiftsberges ($ 11 der Willkür von 1335) bestellt
worden war, erhalten.
Das alte Vogtding wird in den 88 157, 158 und 159 der Willkür von
1395 das Vitztum-Ding genannt. Es wurde an einem Dienstage „vom mitlen
Morgen an biß an den rechten mitlen Mittag und nicht länger“ gehalten, und
zwar dreimal im Jahre, zweimal bei Korne (im Herbst und Winter) und einmal
bei Grase (im Frühling oder Sommer). Bei dem Vitztume sollte sitzen der
Kreis Heiligenstadt.