Heiligenstadt.
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Helligenstadt in der Schlagmühlengasse, ehemals „Judengasse“, gewohnt. Wolf
‘eilt in seiner Geschichte von Heiligenstadt S. 120 mit, daß noch 1800 ihr ehe-
maliger Begräbnisplatz unter dem Namen „Jödenhof“ bekannt war. Im Jahre
1459 bestanden in Heiligenstadt folgende Gilden: 1. die Gilde der Kaufleute
(Gewandschneider), wie in allen deutschen Städten die älteste Gilde, zu ihr
gehörten die Kürschner und Krämer, 2. die Bäckergilde, 3. die Schmiede-
gilde, zu welcher die Grobschmiede, Kleinschmiede, Gropen- (Eisentopf-) gießer,
Messerschmiede, Kupferschmiede und Kanngießer gehörten, 4. die Schuhmacher-
gilde und 5. die Schneidergilde. In jenem Jahre verlieh der Amtmann zu
Rusteberg, Graf Adolf von Nassau, im Namen des Erzbischofs Diether von Mainz
das Gilderecht den Wollwebern, Leinwebern und Knochenhauern. Die
Gilden standen unter dem Stadtschultheißen und dem Rate der Stadt. Sie hatten
nach und nach großen Einfluß auf das Stadtregiment erlangt: ohne ihr Wissen
und Willen wurde keine Sache von Wichtigkeit vom Rate der Stadt beschlossen;
bei Aufsetzung der Stadt-Willkür vom Jahre 1335 und bei Hinzufügung neuer
Bestimmungen zu derselben hatten. sie eine schwerwiegende Stimme; sie waren
bei der Legung der Stadtrechnung zugegen (d.h. wohl die Gildemeister); zwei
aus ihnen waren mit zwei Ratsmitgliedern Kirchenvorsteher und Kirchenkassen-
Rechnungsführer.
Diesen Einfluß verloren die Gilden durch Herzog Heinrich den Jüngeren
von Braunschweig, der die Stadt Heiligenstadt wegen Teilnahme am Bauern-
aufstande kurz vor Pfingsten 1525 im Auftrage des Erzbischofs Albrecht von
Mainz eingenommen hatte und zu einem Vertrage zwang, in dem festgesetzt
wurde: 1. der erzbischöfliche Stadtschultheiß soll fortan im Rate der Stadt sitzen,
ohne sein Wissen soll der Rat nicht verändert und erneuert werden und, ohne
sein Beisein, soll der Rat weder ratschlagen noch verhandeln; 2 alle Gilden und
Handwerkszünfte in Heiligenstadt sollen gänzlich aufgehoben sein; 3. fortan
sollen Schultheiß und Rat das Stadtregiment ohne KEinsage der Gemeinde führen
und neue Bürger aufnehmen; 4. Rat und Bürger der Stadt Heiligenstadt sollen
dem erzbischöflichen Amtmanne zur Abführung nach der Burg Rusteberg ab-
liefern ihr groß Geschütz und ihre besiegelten Freiheits-, Vorrechts- und Gnaden-
briefe, sollen auch 5. die Wälle, Mauern, Türme und sonstige Befestigungen der
Stadt nicht mehr, als sie zurzeit stehen, bessern, bauen und brüsten; Besserungs-
yauten daran sollen sie nur mit Wissen und Willen des Erzbischofs ausführen
und Abreißung der Stadtbefestigung auf Anordnung des Erzbischofs zulassen.
Im Jahre 1540 gab Erzbischof Albrecht von Mainz der Stadt Heiligenstadt
ihre Privilegien zurück. Es wurden auch die Gilden wieder ins Leben gerufen.
Dadurch, daß er in demselben Jahre das Vitztumamt vom Rusteberge nach
Heiligenstadt verlegte und hier das Oberlandgericht für das Eichsfeld einrichten
ließ, erhob er die‘ Stadt Heiligenstadt zur „Hauptstadt des Eichsfeldes*“
und trug dadurch zur Hebung der Stadt bei. Das Vitztumamt hatte längere Zeit
seinen Sitz in einer Stiftskurie auf dem Stiftsberge, und das Oberlandgericht im
Rathause. Das Vitztumamt erhob Erzbischof Johann Philipp zur Statthalterschaft.
Für diese wurde auf dem Stiftsberge nach Abbruch der St. Laurentiuskapelle
von 1736 bis 1738 die Statthalterei erbaut, in die auch das Oberlandgericht
verlegt wurde.