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Kreis Heiligenstadt,
Die Innenausstattung ist fast ganz neu. Jedoch birgt der Altar am Ende
des südlichen Seitenschiffs ein Christusbild von ganz besonderer Bedeutung, das
kunstgeschichtlich interessanteste Bildwerk des KEichsfeldes: das „Hülfenskreuz“
aus dem 11. oder 12. Jahrhundert. Wie es sich heute darstellt (s. Abb. 223), weist
es auf hölzernem Kreuze mit Kleeblattbogenendigungen ein archaistisches Korpus
mit für seine frühe Entstehungszeit gut proportionierter Zeichnung auf. Das
geradestehende Haupt mit geöffneten Augen hat eine hohe Stirn, stark aus-
gebildete Nase und spärlichen Bart. Das auf die Schultern herabwallende Haar
ist sehr durch Malerei ergänzt. Der Ausdruck ist ruhig und hoheitsvoll, um die
Lippen schwebt ein liebevoll gütiger Zug, der den Beschauer lehrt, daß der
Gekreuzigte seines Leidens schon vergessen hat. Auf dem Haupte thront eine
goldene Krone, um die Lenden liegt ein Schurz. Der Untergrund besteht aus
Abb. 221. Hülfensberg. Südansicht der Kirche nach dem Umbau.
rotem Seidendamast, auf dem goldene Sterne und ein offener Bogen mit Lilien-
endigungen aufgestickt ist. Die Sage behauptet, daß Karl der Große zum Dank
für seinen. Sieg über die Sachsen dieses Kreuz durch Heiso von Kerstlingerode
als fromme Stiftung auf den Berg tragen ließ. Dies läßt sich schon der
Datierung nach nicht aufrechterhalten. "Tatsächlich muß jedoch das Bild schon
im Mittelalter sehr berühmt gewesen sein, denn der Berg, der früher Stuffen-
berg hieß, hat hiernach seinen im Jahre 1360 schon nachgewiesenen Namen
„Hülfensberg‘“, mens salvatoris, bekommen.
Das Bildnis, das einige Ähnlichkeit mit dem sogenannten Luccakreuze, San
volto, aufweist,!) hat früher gleich jenem ein Triumphkleid von Stoff, den so-
genannten Herrgottsrock, getragen. Bei einem Brande im. 15. oder 16. Jahr-
hundert büßte es jedoch einen Teil der Beine und einen Arm ein. Um so mehr
wurde es mit Stoff umhüllt, und dies mag der Anlaß gewesen sein, daß man es
‘) Dieses befindet sich in einem Tempietto der Kathedrale in Lucca.