Misserode. — Neuseesen. —Pfaffschwende.
285
Neuseesen.
Evangelisches Kirchdorf mit 115 Einwohnern, Filial von Werleshausen, liegt
16 km westlich von Heiligenstadt. Ob das Dorf, wie zu vermuten, eine wendische
Kolonie ist, ist unsicher, da sein Grundriß nicht die bei uns übliche wendische
Ring- oder Hufeisenform hat. Der Name bedeutet „neuer Sitz“. Es war bis
1849 ein Zubehör des Gesamtgerichts Hanstein und gehörte in geistlicher Hin-
sicht zum Banne Kirchgandern. 1376 schädigte auf einem Fehdezuge Landgraf
Hermann von Hessen Thilo von Hansteins „arme Leute zu Nuwesessen“.
Die kleine, am Südausgange des Dorfes belegene Kirche enthält noch Teile
eines ursprünglichen Bauwerkes, das nach Ausweis eines Hansteinschen Wappen-
steines aus dem Jahre 1566 stammt. An ein rechteckiges massives Schiff ist
später ein Achteckchor in Fachwerk angefügt. Der kleine Dachreiter, der aus
der gleichen Zeit wie der Chor zu stammen scheint, trägt in seiner Wetterfahne
die verschlungenen Buchstaben: 32 M V und ANNO 1715. Der Helm hat die
Form der welschen Haube. Das Nordportal weist die Jahreszahl 1841 auf, wohl
zum Zeichen, wann man die Kirche wiederhergestellt, die alte Inneneinrichtung
entfernt und durch eine neue ersetzt hat. Das Innere ist flach gedeckt.
Die einzige Glocke hat 0,46 m Durchmesser und keine Inschrift.
Pfaffschwende.
Katholisches Pfarrkirchdorf mit 346 Einwohnern, liegt 14,5 km südlich von
Heiligenstadt. Der Name bedeutet auf Grund seiner Ähnlichkeit mit anderen
;hüringischen Wendendörfern „des Pfaffen Wenden“, „das einem geistlichen Herrn
gehörige Wendendorf“. Das Dorf, über welches ältere Nachrichten fehlen, ge-
hörte in weltlicher Beziehung zum Burgamte Greifenstein und in geistlicher zum
Banne Ershausen. Zwei Drittel des Dorfes, nämlich 291%, Herdstätten (Häuser),
gehörte dem Erzbischof von Mainz bis zum Anfange dieses Jahrhunderts „ das
letzte Drittel aber, nämlich 141, Herdstätten, denen von Weihers. Dienste,
Zinsen und Gerichte von und über die Häuser waren ebenso verteilt. Die von
Weihers hatten dieses Drittel von denen von Harstall und diese nach dem Aussterben
derer von Volkerode erlangt. 1583 entsagt der Landgraf von Hessen zugunsten
des Erzbischofs von Mainz auf seine Ansprüche auf den „Kirchsatz, Pfarrrechnung
und Verwaltung zu Pfaffschwende“. Bis 1805 war das Dorf Pfaffschwende ein
Filial von Kella; in diesem Jahre wurde es jedoch zum Pfarrkirchdorfe erhoben.
Die Pfarrkirche, St. Bartholomaei, ist 1870 neu erbaut. Von den drei
Glocken trägt die größte mit 0,86 m Durchmesser folgende Inschrift: VOX EGO
VOX VITAE VOCO VOS AD SACRA VENITE. Darüber und darunter Blumen-
fries, es folgen ‚zwischen Linien die Namen von Ortsbeamten und ANNO 1686.
Ferner zwei weibliche Figuren, gegenüber eine Kreuzigungsgruppe und zu
unterst die Inschrift: IOHANNES ULRICH IN HERSFELD GOS MICH.
Die zweite Glocke mit 80 cm Durchmesser ist 1878 von Heinrich Gabel
gegossen. Die kleinste stammt von 1902.
Bei einem Straßenübergang im Dorfe ist eine alte Ofenplatte verwendet,
die den verlorenen Sohn darstellt.