Full text: Berichte der Geschäftsstelle für Flugtechnik des Sonderausschusses der Jubiläumsstiftung der Deutschen Industrie für 1911-1912 ([2. Heft])

Dr.-Ing. F. Bendemann. 
als er erst durch systematische Versuche überzeugen, ob 
die gewählte Schraubenform überhaupt Aussichten auf 
Erfolg bietet. 
So ist in vorbildlicher Weise Professor Dr. Klingen- 
berg vorgegangen, dem wir einen genauen technischen 
Bericht über die großzügigen Versuche verdanken, die er 
mit den mächtigen Mitteln durchgeführt hat, welche ihm 
als Direktor der A. E. G. zu Gebote standen. Hören wir 
auch sein Urteil: er stellt als Ergebnis fest, 
»daß mit der ausgeführten Kombination zweier groß- 
flächiger (gleichachsig-gegenläufiger) Schraubenräder von 
5 und 8m Durchmesser bei einem Arbeitsaufwand von 
73 PS 530 kg gehoben werden konnten. Das Gewicht der 
5Schraubenräder nebst Zahnradgetriebe und Standsäule 
oetrug 190 kg, ließe sich aber leicht auf 170 kg ver- 
ringern. Sollte sich ein derartiger, mit leichtem Benzin- 
motor ausgerüsteter Apparat als Schraubenflieger er- 
heben können, so dürfte das Gewicht des Motors ein- 
schließlich Kühlung und Benzinvorrat, Verbindungswelle, 
Gestell und mindestens einer Person 360 kg nicht über- 
schreiten. Das erscheint zwar nicht erreichbar, indessen 
ıaaben die Versuche den Hinweis gegeben, in welchen 
Abmessungen ein flugfähiger Schraubenflieger ausführ- 
ar ist. « 
Klingenberg hat daraufhin den Bau einer Flugmaschine 
unterlassen. Genaue Einzelheiten über die Versuche mit 
graphischen Darstellungen der Ergebnisse, mit Konstruk- 
tionszeichnungen der Schrauben und ihrer Zahnradgetriebe 
sind in Klingenbergs Bericht (Zeitschrift des Vereines 
Deutscher Ingenieure 1910, S. 1009) nachzulesen. 
Die Summe dieser praktischen Erfahrungen ist jeden- 
{alls nicht ermutigend. Es fragt sich nun, ob die bisherigen 
Mißerfolge nur durch unzureichende Kenntnisse und ver- 
xehrt gewählte Konstruktionen verursacht sind, oder ob 
grundsätzliche Unmöglichkeiten vorliegen. Die Theorie 
hat sich vielfach mit dieser Frage beschäftigt, und wir 
vermögen sie heute ziemlich klar zu beantworten. Zur 
Hälfte hat das schon, allerdings ohne ausreichende theo- 
retische Begründung, Charles Renard getan, der berühmte 
und hervorragend klarblickende Begründer des Luftschiff- 
baues in Frankreich. Er hat sich auch mit der Frage der Hub- 
schrauben besonders eingehend befaßt. Sein Bericht vom 
November 1903 an die Academie des Sciences Ȇber die 
Möglichkeit des Fliegens mit Hubschrauben. ...« (dem 
auch schon systematische Versuche zugrunde lagen) be- 
zeichnet den Aeroplan als »die Flugmaschine der Zukunft «, 
weil er ungleich sparsamere Hebekraft gewähre und sein 
Motor mehr als doppelt so schwer sein dürfe, als bei einer 
Schraubenflugmaschine entsprechender Leistung. Die Er- 
ahrung hat das bestätigt. Heute können wir aber die der 
Aubschraube gezogenen Grenzen klarer feststellen. 
Die Grenzen ergeben sich aus der Theorie der »voll- 
s<ommenen Schraube«, deren Grundzüge wir Prof, Finster- 
walder verdanken, die wir im Anfang unserer Arbeiten 
ler vergleichenden Bewertung der Versuchsergebnisse 
lurch die Gütegradziffer zugrunde gelegt haben!) und auf 
deren Begründung wir mehrfach zurückkommen mußten. 
Sie kann zwar gewisser Voraussetzungen wegen nicht als 
aäne mit physikalischer Strenge einwandfrei festgestellte 
Theorie gelten; die wichtigsten Zweifel an ihrer Richtigkeit 
sind aber beseitigt, und die noch, zu erhebenden Einwen- 
dungen laufen nur darauf hinaus, daß der theoretische Grenz- 
wert der Hubkraft einer Schraube im denkbar besten Fall 
noch nicht einmal ganz so groß sein kann als die einfache 
Formel sie angibt. Es müßten Berichtigungen daran 
angebracht werden, deren Natur wir noch nicht genau 
zennen, und deren analytischer Ausdruck, wenn wir ihn 
5ilden könnten, jedenfalls recht verwickelt wäre. Den 
Ainfluß dieser Fehler können wir aber auf Grund der 
»isherigen Versuchserfahrungen einschätzen. Er beträgt 
ıöchstens einige 5 bis 10%. Jedenfalls steht aber fest, 
daß der von uns angenommene, schr einfach berechen- 
are Grenzwert nicht überschritten werden kann. Und 
las genügt, um die hier aufgeworfene Frage zu beant- 
vorten. 
Nach dieser einfachen Formel berechnet sich der 
Jöchstwert der theoretisch möglichen Hebekraft einer 
Schraube aus der Antriebsleitung L in mkg/sec als 
P'—Y2uFL®?, 
wenn F = R?x die Fläche des von den Flügelspitzen um- 
'cChlossenen Kreises in qm und uw die Masse eines Kubikmeters 
„‚uft bedeutet. Diese Kraft entsteht nämlich, wenn der 
‚on der Schraube ausgesandte Luftstrom in allen Teilen 
eines Querschnittes eine gleiche, axial gerichtete Ge- 
chwindigkeitskomponente besitzt und weder Wirbel noch 
<reisende Geschwindigkeitskomponente darin vorhanden 
ind. 
Im Sinne dieser Formel haben wir z. B. das Klingen- 
»ergsche Versuchsschraubenpaar, das wir vorhin erwähnten, 
Js eine Schraube anzuschen, weil die beiden auf gleicher 
\ıchse übereinander umlaufenden Schrauben zusammen 
ıur einen Strahl erzeugen. Wir müssen also den Durch- 
nesser der größten von ihnen, der Sm betrug, zugrunde 
egen, wenn wir die höchst erreichbare Hebekraft aus- 
echnen wollen. Mit der beim Versuch benutzten An- 
riebsleistung von 93 PS oder L = 6970 mkg sec erhalten 
vir als theoretisch mögliche Hebekraft 
P' = 850 kg. 
n Wirklichkeit sind aber im besten Falle nur /’ = 330 kg 
‚ehoben worden, also 62°, des theoretischen Wertes. Der 
zütegrad beträgt alco 62°,. 
Breguets große Schrauben hatten den gleichen Durch- 
nesser von 8m; jedes Paar wurde mit 10 bis ı1 PS an- 
zetrieben und hätte theoretisch etwa P'=— 200 kg heben 
<önnen, Erreicht wurden nur P == 140 bis 150 ke oder 
’o bis 75% der theoretischen Leistung. 
Die Gütegrade dieser Schrauben von 62 bzw. 73° 
tellen nun allerdings noch nicht die praktisch erreichbare 
ırenze dar. Wir haben jetzt bei einfachen Schrauben 
zütegrade von 83°, nachgewiesen, und vielleicht gelingt 
s, die Güte noch etwas weiter zu steigern. 
Aber alle Verluste wird man nie vermeiden können; 
ım einige 10 bis 15° wird das wirklich Erreichbare 
tets hinter jener Grenze zurückbleiben, die, wie wir sahen, 
ogar theoretisch jedenfalls noch etwas zu weit gesteckt ist. 
Wir dürfen aber wohl annehmen, daß bei Schrauben 
’erschiedener Größe der Prozentsatz der unvermeidlichen 
/erluste ein gleicher sein wird. Unsere Formel gibt uns 
lann für alle Fälle einen Maßstab der erreichbaren Kraft- 
ıusnutzung, und wir können es der Formel olıne weiteres 
ınsehen, daß die Kraftausnutzung, oder das Verhältnis der 
Tebekraft zur aufgewendeten Auftriebsleistung bei Schrauben 
verschiedener Größe durchaus nicht gleich sein wird. 
daben wir vielleicht bei anderer Wahl der Dimensionen 
zünstigere Verhältnisse zu erwarten ? 
Viele verschiedene Beispiele nach der Formel aus- 
‚urechenen, ist etwas umständlich. Wir bringen sie statt 
lessen lieber in eine graphische Form, in der wir ohne 
veiteres übersehen können, wie sich die theoretisch er- 
eichbare Hebekraft mit dem Durchmesser und der An- 
rebsleistung ändert. Wir bedienen uns dabei mit Vorteil 
ıner logarithmischen Darstellungsweise, um nicht ein Netz 
/on parabolisch gekrümmten Linien ziehen zu Müssen, 
ınd vor allem um ein weitestes Bereich von ganz kleinen 
chrauben bis hinauf zu den denkbar größten Abmessungen 
ı) Vgl. Bericht von 10911, S. ı1
	        
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