Kreis Grafschaft Wernigerode.
gräben die Aufmerksamkeit gelenkt wurde. Sie beginnt gegen Osten über dem
_— erst 1606 durch die Stadtmauer gebrochenen — Kingang zum gräflichen
Vorwerke.
Zur Sicherung des Mühlenbetriebes wurde das Harzgewässer des Mühlen-
tales, der Zillierbach oder die Flutrenne, die man aber bis zum Ende des Mittel-
alters ebenso wie das durchs Hasseröder Tal herabfließende Gewässer „die
Holtemme‘“ nannte, durch den mit Wall und Mauer bewehrten Ort geleitet.
Der leichteren Verteidigung wegen beschränkte man den Zugang zu dieser
Vorburg des Grafenschlosses auf drei doppelt bewehrte Tore. Es waren an beiden
Aus- und Eingängen der Breitenstraße das Westerntor (urkundlich zuerst 1356
erwähnt) und das Ost-, Rimbeker oder Neustädter Tor (1399, 1416). Als dann
zwischen 1265 und 1279 eine Neustadt entstanden und in der denkbar einfachsten
Weise nach Osten zu der Altstadt angefügt war, wurde das Altstädter Osttor bis
zum Ostende der neuen Ansiedlung hinausgerückt. Das einzige vom Süden her
den Eingang in den Ort vermittelnde Tor trug den seiner Bedeutung ent-
sprechenden Namen Burgtor. Ein viertes Tor, das von der Neustadt aus nach
Westen ausmündete, das Johannistor (urkundlich 1431), war von untergeordneter
Bedeutung.
Durch die angedeutete Anlage zerfiel die Altstadt in drei verschiedene
Teile: 1. Das älteste Wernigerode am Flutgraben, das um die alte Pfarrkirche
S. Georgs angebaute unregelmäßige Haufendorf aus der Missionszeit, ohne eine
eigentliche Straße. Durch die Gunst der Umstände ist noch die Lage des Stamm-
hofes der zu Abt Warins Ehre benannten Siedelung genau zu bestimmen. Da
dieser Hof nämlich ums Jahr 1265, als er kaum noch bewohnt war, bei Be-
gründung des Stifts S. Silvestri von den Grafen diesem geschenkt wurde, so lag
er Jahrhunderte lang zur toten Hand, bis er im Jahre 1544 vom Kapitel an den
gräflichen Amtschösser Matthias Lutteroth veräußert wurde. Damals lag der alte
Hof noch von Wall und Fleet oder Graben umgeben da und trug den volks-
tümlichen Namen Snäken-, Schnaken- oder Stechfliegenburg. Wie dann dieser
älteste Hof von Dietrich von Gadenstedt erworben und zum jüngsten der fünf
adligen Lehnshöfe eingerichtet wurde und seine Schicksale bis zur Gegenwart
können wir hier nicht näher verfolgen *).
Das an die älteste Pfarrkirche S. Georgs und den ehemaligen Stammhof,
die Schnakenburg, sich anschließende westlich von dem nun ganz überdeckten
Flutgraben gelegene Stadtviertel war im 16. und bis über die Mitte des 18. Jahr-
hunderts hinaus als das der Ritterhöfer bekannt. Unmittelbar nördlich schließt
sich an dieses das der Heide oder der Heidevente an, das eines eigenen
Torausganges entbehrend dem Handelsverkehr ganz entzogen blieb und noch bis
zur zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als eine N achbarschaft der Viehzüchter
erscheint. Geschichtlich sehr bemerkenswert ist die bei der Prüfung unseres
Planes sofort ins Auge fallende Beobachtung, daß bei dem zuerst bebauten Teil
der Heide an der Westernstraße, die doch naturgemäß nur die westliche Fort-
setzung der sonst ihrer Benennung entsprechenden. frei gewachsenen Breitenstraße
1) Vgl. darüber die Festschrift zur 25 jähr, Gedenkfeier des Harzvereins für Gesch. u.
Altertumskunde 1892. S.81-—88.