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Kreis Grafschaft Wernigerode.
und Frederiksborg, wie sie damals zwischen befreundeten Höfen ausgetauscht
wurden, wenn ein Neubau in Aussicht stand. Dann Grundrisse und Aufnahmen
des „Gräflichen Lusthauses“ von Johann Christian Hertel von 1739,
von F. Heintzmann 1750, von Friedr. Aug. Hildner (in Berlin) 1751. Dazwischen
zwei Blätter mit den „Insecriptiones, so über denen beyden Saal-Thüren des in
Ao. 1744 abgebrochenen Garten Haußes gestanden und von den seel. Herrn Hof-
prediger Hahn verfertiget: Suspiciens arti et labori hodienum quid debeatur
vide Christianus Ernestus comes Stolbergensis mirum dietu! summa miscendo
imis delicias, hortum, Domum fecit, nam alta montis mole profundis ingesta
intestina eius rupe domum struxit hortumque munivit nec mirum: sidere
fausto ars ipsa invenit, formavit, ornavit, labor omnia vicit CIOI9 CC XXIII (1723)
und: Quam spectator vides aestivam imminentis aulae sedem auspice deo et
natura ita dante duceque & fundamento exstructam tempori rerum edaci
reliquit Christianus Ernestus S. R. J, comes. com, Stolb. Koenigst. Rochefort.
Wernigerodae et Hohnstein A. R. S. MDCCXXIII (1723).
Aus dem geheimnisvollen Hofpredigerlatein entnehmen wir, daß Christian
Ernst 1723 den Garten und ein Sommerhaus anlegte, welches „über den
beiden Saaltüren“ diese Inschriften trug und 1744 abgebrochen wurde. Ein
schärferer Blick auf die Zeichnungen Hertels belehrt uns nun, daß wir von ihm
nicht wie bei den übrigen Pläne zu einem Neubau, sondern Aufnahmen des
damaligen Bestandes haben, offenbar zu dem Zweck gemacht, um das nördliche
Risalit des Lusthauses in eine Kapelle zu verwandeln. Denn unter den Abb. 180
teilweise reproduzierten Aufnahmen des Ganzen finden sich Grundriß, Längs-
und Querschnitte „der anzulegen den Kapelle“, worinnen „ohngefähr 224 Personen
sich füglich aufhalten können“. Und aus dieser Erkenntnis gewinnt nun auch
der Grundriß des ganzen Gartens von Hertel (Abb. 180) eine andere Bedeutung.
Es handelt sich wirklich um die von Christian Ernst 1712—23 geschaffene Anlage,
welche sich sogleich ganz deutlich als eine Miniaturnachahmung des damaligen
Ideals Versailles mit dem steifen französischen Garten verrät. Auf der oberen
Terrasse steht das „Lusthaus‘“, gerade am Rande des jetzigen ebenen Platzes;
rückwärts eine Art Ehrenhof, dessen Mitte der Gnomon (s. Abb. 181) einnahm,
mit dem freien Blick in die weite Landschaft; herwärts das dreimal abgestufte,
durch Treppen verbundene Parterre, welches zwei Springbrunnen, acht geometrisch-
ornamental gezeichnete Blumenrabatten mit runden und pyramidalen Lorbeer-
bäumen in den Ecken und als Abschluß zwei rein geometrische Rabatten aus
Taxus, Weißbuchen oder Flieder enthielt. Rechts davon ist in ganzer Länge eine
„große Avenue“ in geometrischen Formen aus geschorenen Hecken angelegt,
eingefaßt von zwei Baumalleen, deren Reste man noch heute an dieser Stelle
deutlich erkennen kann. Eine ähnliche Avenue führte links auf die Orangerie,
vor welcher aber ein kleineres Parterre von Ziersträuchern gebreitet war. Auf
der untersten Terrasse sind die Treibhäuser, im Vordergrunde aber ein Trakt
von Fachwerkhäusern für die Dienerschaft gezeichnet. Der Plan deckt sich
ganz genau mit dem heutigen Gelände, und man darf nur an Herrenhausen bei
Hannover oder Bellevue bei Wien denken, um sich auch die Art der Be-
pflanzung, der gärtnerischen Kultur, der Wege, Springbrunnen und Treppen
zu vergegenwärtigen.